Oliver Kluck - Die Aussichten eines Resignierten
Der aufstrebende Jungautor Oliver Kluck zeigt sein Stück «Warteraum Zukunft» in einer Neufassung im Luzerner Theater. Wut und Zynismus sind seine Zutaten.
Inhalt
Kulturtipp 02/2012
Babina Cathomen
Grau, eng und bedrückend ist es im ehemaligen Polizei-Schiesskeller im Luzerner Stadthaus, der Nebenbühne UG des Luzerner Theaters. Bühnenbildnerin Martina Mahlknecht hat den lang gezogenen Raum durch Säulen an den Seiten weiter verengt. Die Besucher befinden sich fiktiv im Kopf des 31-jährigen Ingenieurs Daniel – und in diesem sieht es düster aus. Sein Liebesleben spielt sich nur in seiner Fantasie ab. Trotz guter Ausbildung und vollem Arbeitseinsatz warte...
Grau, eng und bedrückend ist es im ehemaligen Polizei-Schiesskeller im Luzerner Stadthaus, der Nebenbühne UG des Luzerner Theaters. Bühnenbildnerin Martina Mahlknecht hat den lang gezogenen Raum durch Säulen an den Seiten weiter verengt. Die Besucher befinden sich fiktiv im Kopf des 31-jährigen Ingenieurs Daniel – und in diesem sieht es düster aus. Sein Liebesleben spielt sich nur in seiner Fantasie ab. Trotz guter Ausbildung und vollem Arbeitseinsatz wartet er seit langem auf einen Karriereschub. Als er zum Chef beordert wird, erlebt er eine weitere Enttäuschung: Anstatt der erhofften Beförderung soll er nach Rumänien versetzt werden.
Grau in Grau
Zu viel für den ewig Wartenden: Mit Wut im Bauch und Einsamkeit im Herzen besucht er eine Party, baut auf dem Heimweg einen Unfall und begeht Fahrerflucht. «Er setzt all seine Hoffnungen in etwas Äusseres, staut Wut und Wünsche auf – und bleibt dennoch handlungsunfähig», erklärt Regisseurin Ivna Zic. Den düsteren Raum sieht sie als Abbild der grauen Arbeitswelt und vor allem als Abbild von Daniels innerem Zustand.
Der Text des Nachwuchsautors Oliver Kluck (siehe Box) liest sich als zynisches Lamento. Wut und Abscheu – vor der Gesellschaft und vor sich selbst – dominieren. Oberflächlich betrachtet sei es zwar eine Beschwerdelitanei, sagt Zic. «Aber wir möchten zum Kern vordringen und die Frage aufwerfen: Wann habe ich persönlich etwas selbst in die Hand genommen?» Daniels Monolog verteilt sie auf fünf Schauspielerinnen und Schauspieler. Feine Netzmasken verfremden ihre Gesichter und spiegeln so die Austauschbarkeit des Menschen in der anonymen Arbeitswelt. «Der Text zeigt die Welt zwar aus der Perspektive eines Einzelnen. Doch dahin-ter steckt ein grundsätzliches menschliches Gefühl: Die Passivität, obwohl alle Voraussetzungen zum Handeln vorhanden wären.»
Realität und Fantasie
So besteht das Schauspielteam aus Männern und Frauen unterschiedlichen Alters, die mehrere Facetten von Daniel auf die Bühne bringen. Die Schauspieler reden im Chor, übereinander und gegeneinander an. Dadurch eröffnen sich den Zuschauern Daniels Gedanken: Sie sehen seine Vorstellungen, die er sich von Frauen, seinen Bürokollegen oder von seinem Chef macht – was Realität und was reine Fantasie ist, bleibt offen.
«Gemeinsam einen Atem zu kriegen und zu einer Person zu werden, ist eine der grössten Herausforderungen», meint Schauspieler Samuel Zumbühl in einer Probenpause. Es sei nicht einfach, dem Text mit seiner assoziativen und sprunghaften Sprache gerecht zu werden, ergänzt seine Schauspielkollegin Marie Ulbricht. Der Widerspruch zwischen Denken und Handeln interessierte sie am Stück besonders. «Daniel will seine Ziele erreichen, tut aber nichts. Er sucht nach Selbstverwirklichung und bleibt doch in Resignation stecken.»
Trotz Zynismus und Düsternis, die das Stück prägen, scheint manchmal schwarzer Humor durch. Gewisse Szenen seien so trist, dass sie in ihrer Überhöhung ins Groteske kippen, wie Zic anmerkt. Dazu gehört etwa das Personaltreffen, an dem der Chef seinen Mitarbeitern vorwirft: «Sie sind es, die die grössten Kosten hervorrufen. Jede neue Einstellung (...) bringt das Unternehmen in eine instabile Situation.» Für das Luzerner Theater hat der Autor eine Neufassung geschrieben. Diese sei dichter, prägnanter und vor allem noch böser als der Urtext, sagt Dramaturgin Larissa Bizer.
Als sechste Stimme nebst dem Schauspielensemble steht die Musik, die auf der kargen Bühne aus acht Lautsprechern erklingt. «Die Boxen lassen sich einzeln ansteuern. Dadurch können die Tonspuren miteinander verschnitten werden oder hin- und herspringen», erklärt Lea Letzel, die für den Sound zuständig ist. Die Musik nehme dasselbe Prinzip auf wie das Schauspielensemble, das im Chor oder einzeln aus Daniels Sicht auf die Welt berichtet.
Letzel lässt ein paar elektroakustische Sequenzen erklingen. Ein hoher sirrender Ton, gefolgt von einem dunklen Klopfen hallt durch den Raum. Die Klangkulisse soll nicht etwa Emotionen verstärken, sondern veranschaulicht den Zustand des Protagonisten. «Warteraummusik» nennt es Letzel, passend zum Titel des Stücks. «Sie bewegt sich nicht vorwärts – genau wie die Figur.»
Schreiben als Protest
Seine Schreibkarriere startete der deutsche Nachwuchsautor Oliver Kluck (31) mit unzähligen Beschwerdebriefen, die er an die Bundeswehr und verschiedene Ämter richtete. Nach einer Lehre zum Wasserbauer und einem abgebrochenen Ingenieurstudium studierte er am Literaturinstitut Leipzig – und machte sich das Lamentieren zum Beruf. Mit Erfolg: Für sein gesellschaftskritisches Stück « Das Prinzip Meese» erhielt er den Förderpreis des Stückemarktes beim Berliner Theatertreffen. «Warteraum Zukunft» wurde 2010 am Hamburger Schauspielhaus uraufgeführt und brachte ihm den Kleist-Förderpreis für junge Dramatik ein. Kluck gehört gegenwärtig zu den meist gespielten Jungautoren im deutschsprachigen Raum.