kulturtipp: Warum sprechen Sie eigentlich Ihr schönes Bühnendeutsch nicht auf der Bühne, wo es hingehört?
Christof Wolfisberg: Wir sind in das Schweigen reingerutscht. Jonas Anderhub und ich waren früher beide Zauberer und merkten, wie spannend es ist, das Publikum zu überraschen. Wir spielten in den Strassen und trugen Plakate wie «Beachten Sie uns nicht.». Das hat eingeschlagen.
Und Sie sassen wegen solcher Auftritte eine Weile in der Klapse?
Nein überhaupt nicht. Wir waren ermutigt, weil wir merkten, dass da was drinsteckt. Dazu passt auch unser Name Ohne Rolf, es fehlt also jemand. Das bleibt bei den Leuten hängen, weil es eine Frage provoziert – wo ist der eigentlich?
Also bitte, ich bin hier, Sie können jetzt den Namen ruhig ändern.
Keinesfalls, wir haben ja schon verschiedene Rolfs kennengelernt.
Ich bin ziemlich beleidigt.
Damit müssen Sie leben.
Seid Ihr privat eher stille Wasser?
Um auf der Bühne schweigen zu können, muss man viel reden – über jedes einzelne Plakat. Wir unterziehen uns in den Vorstellungen einer Selbstbeschränkung, weil wir beide sehr gerne reden.
Es fällt Ihnen also schwer, die Klappe zu halten?
Nein, ein Tänzer macht ja das Gleiche. Wir arbeiten auch sehr choreografisch.
Tanz sehe ich bei Ihren Auftritten nicht wirklich.
Ist ja nur ein Vergleich, um zu erklären, was ich meine.
Was passiert, wenn die Publikumsreaktionen ausbleiben. Dann können Sie mit Ihren Plakaten ja nicht improvisieren?
Richtig, wir mussten lernen, dass sich oft eine eigene Dynamik in einer Vorstellung entwickelt. Die Leute können still Plakate lesen und applaudieren zum Schluss dennoch. Ich gröle ja auch nicht im Theater, sondern bin eher zurückhaltend.
Gibt es die Ratlosen, die sich fragen, was das alles soll?
Ich nehme an, dass es die gibt. Die melden sich bei uns kaum. Allerdings kommen auch Lesemuffel auf die Rechnung, denn unsere Texte sind ja eine Art Comics.
Das alles ist politisch ziemlich unkorrekt, da sind die Fremdsprachigen benachteiligt.
Das kann natürlich auch ein Ansporn sein, Deutsch zu lernen, um zu verstehen, worüber die andern lachen. Wir haben unsere Stücke schon auf Französisch, Englisch und Chinesisch übersetzt und sind damit in drei chinesischen Städten aufgetreten.
Was meinten die Chinesen dazu?
Das habe ich leider nicht verstanden, aber ich glaube, die schätzten es, dass die Texte unverfälscht in ihrer Sprache waren und wir auf Untertitel verzichteten.
Sie wollen uns sagen, die Chinesen lachen über die gleichen Sprüche wie wir?
Ich könnte es nicht besser ausdrucken.
Das ist doch eine neue Erkenntnis.
Ja, das fanden wir auch. Offenbar kommt unser Humor global an.
Ihre Auftritte leben von der Gestik und Mimik auf der Bühne – ist das alles einstudiert oder spontan?
Einstudiert, aber wir vermitteln den Eindruck des Spontanen, was die Zuschauer oft irritiert.
Dazu proben Sie stundenlang?
Wir texten sehr lange. Und dann studieren wir das ein, wie alle Bühnenkünstler. Das Timing einer Vorstellung ist sehr wichtig.
Bei diesen Proben kommt es regelmässig zu Streit?
Wir haben eine kultivierte Streitkultur, die manchmal auch unkultiviert ist. Unser Regisseur Dominique Müller vermittelt jeweils.
Eine Art Mediator?
Ja, das ist nötig bei einem Duo, das schon zehn Jahre lang zusammenarbeitet.
Er hält Händchen und sagt, das ist nicht so schlimm.
Nein, wir haben es sehr lustig zusammen.
Schreiben Sie und Ihr Kollege Jonas Anderhub diese Dialoge gemeinsam?
Ja, wir schreiben beide zu einem Thema, lesen das vor und suchen nach Kompromissen. An der Premiere sehen wir, ob wir richtig entschieden haben, andernfalls müssen wir Korrekturen anbringen.
Hatten Sie schon schlaflose Nächte, dass diese Auftritte einmal nicht mehr ankommen, weil die Leute genug haben?
Nein, wir sind immer noch neugierig, was sich mit Plakaten alles machen lässt. Wir arbeiten an einem vierten Stück, das im nächsten November Premiere haben wird.
Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg
1999 probierten die beiden 39-jährigen Luzerner ihre Plakatidee zum ersten Mal aus: Mit starrer Mine und dunklen Anzügen stellten sie sich auf die Strasse und hielten ein A4-Blatt mit der Aufschrift «Hier gibt es nichts zu sehen» vor sich. Diese kleine Aktion stiftete bei den Passanten erhebliche Verwirrung. Gibt es hier wirklich nichts zu sehen? Eigentlich nicht – ausser weiteren Plakaten: «Gehen Sie weiter, hier gibt es wirklich nichts zu sehen.» Im Verlauf der Performance versuchten sie immer aggressiver, ihr Publikum wegzuschicken: «Wir könnten eine Sekte sein!» Sie haben seither drei Bühnenstücke erarbeitet.
Auftritte
Blattrand
Sa, 16.1., 20.15 Altes Kino Mels SG
Mo, 1.2., 20.00 Kellertheater St. Gallen