Für die Wiener ist der Fall klar: Bei 5K HD handelt es sich um eine Supergroup, die mit ihrem Debüt «And To In A» eines der Alben des Jahres abgeliefert hat. Wem hingegen die junge Jazzszene der Donaustadt fremd ist – einem Gros aller Nicht-Österreicher also –, entlockt die kryptische Buchstabenkombination höchstens ein Stirnrunzeln.
Und das, obwohl man im Nachbarland richtigliegt. Der Zusammenschluss preisgekrönter Künstler wie dem Impro-Jazz-Quartett Kompost 3 und der Singer-Songwriterin Mira Lu Kovacs ist per Definition eine Supergroup. Doch wie kam es zu dieser in der Szene gefeierten Kombination?
Erste Berührungspunkte reichen weit zurück. Kontra- und E-Bassist Manu Mayr kennt Mira seit einer gefühlten Ewigkeit: Er war zu Schulzeiten mit ihr befreundet, hat schon damals Musikprojekte mit ihr durchgeführt. So verfolgten er und seine Mitstreiter bei Kompost 3 die Arbeit der Singer-Songwriterin immer gespannt.
Grundstein wurde bei Impro-Session gelegt
Das verwundert kaum, wenn man sich die jazzig angehauchten Indie-Pop-Songs des Trios Schmieds Puls anhört, in deren Zentrum Kovacs mit ihrer einprägsamen Stimme steht – die von glasklar-eindringlich bis hin zu fragil-verletzlich eine breite Palette an Gefühlslagen abdeckt.
Im Gegenzug hat Mira Lu Kovacs das experimentierfreudige Quartett nie aus den Augen verloren. Zu dessen Gründungszeit lebten Lukas König (Drums, Percussions, Synthesizer), Benny Omerzell (Keys), Martin Eberle (Trompete, Flügelhorn) und Manu Mayr gemeinsam im 3. Wiener Bezirk. Richtig gefunden haben sich die ehemaligen Musikstudenten aber nicht in der WG-Küche, sondern bei Impro-Sessions. Dort verschmolzen ihre persönlichen Backgrounds, die von Hip-Hop über zeitgenössische Klassik bis zu Avantgarde-Jazz reichen. Und dort wurde klar, dass man dieselben musikalischen Vorstellungen verfolgt. Seither hat sich die zu Beginn stark im Jazz angesiedelte Live-Impro-Band zu einem breit gefächerten Ensemble entwickelt.
Ein schwer definierbarer Sound
Heute schreckt das Quartett Kompost 3 weder vor selbst produzierter Elektronik noch vor zeitgenössischen Klängen zurück. Bei der Arbeit zum letzten Studio-Album etwa entstand eine Synthesizer-Hymne, die geradezu nach einer Stimme schrie. Einfach mit «irgendeiner Sängerin zu arbeiten» kam nicht infrage. Umso leichter fiel der Entscheid, Mira ins Boot zu holen: Aus einer Single wurden eine EP, ein gemeinsames Programm im Wiener Konzerthaus und schliesslich das gemeinsame Album.
Trip-Hop, Electronic-Jazz, Indie-Folk, Dubstep, Songwriter-Pop, Prog-Rock, Funk, Breakbeat, Noise oder Downbeat-Pop: Er ist schwer zu fassen, dieser Sound, den 5K HD auf ihrem Debüt vorsetzen. Vieles wird gestreift, nichts ist dominant. Klingt der Opener «Anthem» verdächtig nach James Blake, bricht «Trouble Boy» mit seinen funky Trip-Hop-Beats komplett mit dessen Pathos. Oder wie Manu Mayr es treffend umschreibt: «Wir haben ein total schönes Mixtape aus allem geschaffen, was uns interessiert und berührt. Dabei kann ein einzelner Song aus drei Songs bestehen und drei komplett unterschiedliche Stimmungen transportieren.» Das bringt Abwechslung, und vor allem fordert das. Es hält den Motor am Laufen, verlangt Konzentration, sorgt immer wieder für Verwunderung.
Schwierig, fordernd und facettenreich
Man habe «seinen Sound» noch nicht gefunden, wolle und könne sich nicht festlegen, tönt es von der Band. Was erfrischend daherkommt, ist kein bewusstes Konzept, sondern eine Folge der Arbeitsweise. Und der Einstellung des Quintetts: Möglichst viele Klicks und Views sind nicht das Ziel. Natürlich freuen sich die Wiener, wenn ihr Sound viele erreicht, statt nur ein elitäres Publikum zu bedienen. Wichtiger ist ihnen aber, ein Statement zu setzen und klarzustellen, dass Pop nicht einfach nur eingängig, simpel und vorhersehbar ist. Pop darf schwierig, fordernd und facettenreich sein. Genau wie ihr Album.
Unzählige Ideen, lose Formen und halbfertige Skizzen fanden im Studio zusammen. Das Quartett und die Sängerin reizten sich gegenseitig im spannenden Kompositions- und Arrangement-Prozess. Bei den Lyrics aber liess man Mira freie Hand, vertraute ihr blind. Eindringlich, emotional, eigenwillig – das entstandene Debüt lässt nicht kalt. Ganz im Gegensatz zum Band-Namen 5K HD: Dieser bietet viel Interpretationsspielraum und spiegelt den Kontrast zwischen einem unterkühlt-technischen Produktnamen und dem gefühlsgeladenen Output der Band. «HD steht für die schnelllebige Zeit, in der wir leben: in ein paar Jahren ist das ein total überholter Standard, und gleichzeitig wird es Zeit für neue Musik», spannt Mayr den Bogen in die Zukunft.
Zuvor aber tobt die Supergroup sich auf der Bühne aus. Denn bei allen philosophischen Fragmenten, poetischen Texten und gebrochenen Stilen: Im Rausch und vor Publikum fühlen sich die jungen Musiker am wohlsten. Als gleichberechtigte Band, bei der die Sängerin nicht wie so oft zur Frontperson wird, sondern sich gegenüber der Trompete seitlich an der Flanke aufstellt. Anders könnte die improvisationsfreudige Kombo nicht kommunizieren. Und einfach ein Programm runterzuträllern, ist keine Option.
Konzerte
Mo, 8.1., 20.30 Moods Zürich
Mi, 10.1., 20.30 Turnhalle im Progr Bern
CD
5K HD
And To In A
(Seayou Records/ Rough Trade 2017)