kulturtipp: Numa Bischof, welche Aufgabe hat ein Orchester?
Numa Bischof: Wir gestalten ein Produkt mit vielen Inhalten. Zuoberst steht die Pflege des Repertoires. Das wird immer wieder neu erarbeitet, neu vermittelt. Täten wir das nicht, würden wir uns selbst infrage stellen. Doch es gibt weitere Aufgaben: Wer kann im edukativen Bereich einspringen, da in den öffentlichen Institutionen immer mehr abgebaut wird? Und wir müssen uns einbringen im Gesamtdiskurs der Gesellschaft, lokal, national und international. Ein Sinfonieorchester kann nicht mehr wie einst im Elfenbeinturm sitzen.
Das LSO macht Musikvermittlung, gibt Konzerte für Demenzkranke, spielt an Festivals und in den grössten Sälen, unternimmt weltweit Tourneen, macht CD-Einspielungen. Passt das alles unter den Hut «Aufgaben eines Sinfonieorchesters»?
Ich finde, dass wir nur eine Daseinsberechtigung haben, wenn wir all diese Dinge vereinen. Und manchmal vergisst man es: Unsere Mission ist es, Freude zu bereiten, Genugtuung zu bringen und Werte zu vermitteln. Das können wir nur schaffen, wenn wir nicht immer nur an unser Kernpublikum denken, sondern den Kreis erweitern. Es gibt auch alte, vereinsamte oder kranke Menschen. Als öffentlich finanziertes Sinfonieorchester sollten wir auch ihnen ein Angebot machen. Es sind Private und Sponsoren, die ihre Unterstützung an die Bedingung knüpfen, solche Angebote zu schaffen.
Hinter Ihnen liegt ein aufregendes 2017. Das LSO hat die drohende finanzielle Sparübung mit seiner intensiven Informationskampagne – gestartet mit einem Flashmob auf der Rathaustreppe in Luzern – abwehren oder zumindest verringern können. Wie ernst war die Lage?
Wir kommunizierten klar: «Achtung, wenn das eintrifft, gefährden wir eine Institution, die dank Subventionen und privatem Engagement wunderbar gewachsen ist.» Langfristig gedacht, wären die Subventionskürzungen eine grosse Bedrohung gewesen. Es war allerdings keine Attacke gegen uns, sondern ein allgemeiner, linearer Sparplan. Dennoch galt es klar zu sagen, dass es dann nicht mehr weitergegangen wäre.
Gar nicht mehr, oder wäre es einfach nicht so weitergegangen, wie Sie es sich vorstellen?
Klar gibt ein Intendant einem Sinfonieorchester eine persönliche Färbung und Prägung. Aber ein Orchester muss darüber hinaus eine Gültigkeit haben. In der Schweiz sind die meisten Sinfonieorchester zu 70 bis 80 Prozent öffentlich finanziert. Bei uns ist es fast umgekehrt. Doch dieses enorme private Engagement ist auch ein Risiko. Sparen kann am Ende sogar teurer werden, wenn einzelne Puzzleteile wegfallen. Wenn die öffentliche Hand spart, dann springen nicht Private ein, sondern sie springen sogar ab, da ihr Engagement keinen Sinn mehr macht.
Wieso denn nicht?
Das Gesamtwerk muss attraktiv sein. Aber wer sich als Top-Institution positionieren will, braucht ein solides Basisengagement der öffentlichen Hand. Darauf erst folgt die Veredelung durch die Privaten und Sponsoren. Diese brauchen einen Anreiz. Das Schlimmste für einen Privaten ist doch, wenn er einfach in eine Blackbox Geld schmeissen muss und gar nichts zurückkriegt. Beim LSO sehen sie, was sie bewirken.
Die Orchestervergrösserung? CDs? Tourneen? Stars im KKL wie Argerich oder Grimaud?
Alles Exzellente beim Luzerner Sinfonieorchester ist privat finanziert.
Würden Sie ohne diese Extras neben dem Lucerne Festival untergehen?
In Luzern gibt es keinen Courant normal. Das ist eine Musikstadt, die weltweit wahrgenommen wird. Alle haben ausserordentliche hohe Erwartungen daran, wie ein Konzerterlebnis hier sein soll: das Publikum, die Musiker, die Medien und die Sponsoren. Und die Politik schaut auch hin, man findet heute eine Mehrheit, wenn ein Kulturprodukt eine Wertschöpfung generiert. Das alles schaffen wir nicht in drei oder fünf Jahren, dafür braucht es eine Generation, wenn nicht sogar zwei oder drei. Es gibt Fussballklubs, die sind einfach Gewinner, die haben diese Ausstrahlung. Das gibt es auch bei Orchestern.
Konzerte mit dem LSO
Kammermusikmatinee
So, 21.1., 11.00
Luzerner Theater Luzern
Verdis «Falstaff»
Premiere: Sa, 27.1., 19.30
Luzerner Theater Luzern
Berlioz’ Symphonie fantastique
Mi, 31.1., 19.30 KKL Luzern
CDs
The Beethoven Project
Klavierkonzerte und Ouvertüren, 3 CDs
(Sony 2017)
Johannes Brahms
Violinkonzert, Sonate für Violine
und Klavier Nr. 1 (Bis 2017)