Numa Bischof ist nicht zufrieden. 90 Minuten haben wir in seinem von der Spätsommersonne geheizten Büro an der Luzerner Pilatusstrasse den Feierabend herauszögernd diskutiert – über den Zuspruch, den das Luzerner Sinfonieorchester (LSO) erlebt, über Tourneen in die weite Welt – und doch schaut der Intendant des Orchesters skeptisch. Erst als er die Tür zum Abschied öffnet, klärt sich der unzufriedene Blick. Nun fragt der so eloquente Musikmanager nämlich zögerlich, ob denn im Artikel auch etwas über die kommende Saison zu lesen sein werde. Typisch Bischof? Zählt für ihn das nächste Konzert wirklich mehr als eine Hymne auf seine Person?
Erst überleben …
2003 stiess der Cellist und Betriebsökonom Numa Bischof zum Luzerner Orchester, «nach der ersten Überlebensphase», wie er sagt. «Zu überleben» galt es die ersten Jahre im 1998 erbauten KKL. Denn das neue Haus mit seinem weissen Saal war beileibe nicht nur ein Segen, sondern auch eine Belastung. «Damit wurde das Orchester ins kalte Wasser geworfen. In diesem Topsaal heisst es: Friss, Vogel, oder stirb.» Das LSO starb nicht, sondern setzte zum Höhenflug an.
Als der 41-jährige Bischof in Luzern begann, hatte man ein 6,7-Millionen-Budget, heute liegt es doppelt so hoch – bei 13 Millionen. Diese Steigerung ergab sich nicht durch Subventionserhöhungen, sie wurde dank intensivierten Sponsorings und anderer Einnahmen erreicht: «Wir haben wohl den grössten Eigenfinanzierungsgrad der Schweizer Sinfonieorchester.» Er liegt beim LSO bei über 60 Prozent.
… dann Ausbau
Kein Wunder, baut Numa Bischof aus: In der neuen Saison wird das Kammermusikangebot – zusätzlich zu den Nachtkonzerten und den Matineen der Orchestermusiker – vergrössert.
Doch wie kann man mit einem wackeren Stadtorchester, das für die Region wichtig ist, schweizweit für Furore sorgen? Und mehr noch: Wie macht man ein Orchester, das in Paris, in Japan und China gastiert, das CD um CD aufnimmt und dessen Abo-Konzerte zweimal geführt werden, also fast dreimal die Zürcher Tonhalle füllen? Bischof zeigt auf, wie sehr das LSO in der Stadt verankert ist, wie sehr sich die Menschen mit dem Orchester identifizieren: «Wir erzählen Geschichten, die rund ums Orchester immer wieder neu entstehen. Wir stehen für etwas Relevantes, das die Leute interessiert, und wir probieren immer wieder fremde Wege aus.» Das sind keine Floskeln. Im Unterschied zu Zürich etwa ist es erstaunlich, wie offen die LSO-Besucher für anspruchsvolle Programme sind. Selbst als das LSO an einem Abend zwei Sibelius-Sinfonien hintereinander spielte, war das KKL letzte Saison zweimal ausverkauft.
Grosse Schaffenskraft
Doch noch ganz anderes bringt Bischofs Intendanz ins Gespräch: Weltstars wie Martha Argerich und Mischa Maisky spielten im Frühling mit dem LSO eine Uraufführung des weltberühmten Komponisten Rodrion Shchedrin. «Manchmal braucht es wenige Worte, es reicht ein Blick, und ein Projekt ist geboren. Diese Uraufführung wäre von meinem Schreibtisch aus nie entstanden.»
Unter Musikern werden Geschichten erzählt, dass Bischof in seinem Büro innerhalb einer Stunde eine Japan-Tournee organisiert habe. Bischof weicht aus, sagt aber, es gäbe nun mal Netzwerke, die irgendwann zum Tragen kommen. «So wächst man zusammen und manchmal geht es dann vielleicht schon sehr schnell – aber nicht in einer Stunde. Sie erhalten vielleicht ein ‹Ja›, aber der Rest ist lange Arbeit.»
Die Konkurrenz am Konzertplatz Luzern mit seinen drei Festivals ist enorm. Bischof sieht es als Riesenchance, denn so würden die Hörerwartungen geschärft: «Es darf nicht sein, dass nach den Festivals ein Qualitätseinbruch kommt.» Dafür sorgen soll auch der neue Chefdirigent James Gaffigan. «Das Orchester ist hungrig und dürstet nach der Zusammenarbeit mit ihm. Er fordert viel, aber charmant.» Kein Wunder, Gaffigan ist drauf und dran, nach ganz oben durchzustarten – ein idealer LSO-Leiter.
Diskrete Zurückhaltung
Dass auch Bischof ein hochgehandelter Intendanten-Name ist, weiss der Basler. Darüber sprechen mag er nicht. Doch wer weiss, vielleicht arbeitet er in zehn Jahren immer noch in Luzern, aber auf der gegenüberliegenden Strassenseite – beim Lucerne Festival. «Auf diese Anspielung gehe ich nicht ein.» Nicht nur dort zeichnet sich ein Wechsel ab, auch bei der Zürcher Tonhalle gibt es grosse Veränderungen. «Auch in Biel», kontert Bischof, «klar, ich profitiere vom Erfolg des LSO, aber ich will hier noch lange viele tolle Sachen auslösen.»