Als im Dezember 2019 Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival, wegen Mobbing-Vorwürfen und einem Machtkampf mit dem Verwaltungsratspräsidenten in die Negativschlagzeilen geriet, blieb Numa Bischof höflich still. In den Foyers des Luzerner Theaters und des KKL hingegen fiel sein Name damals dauernd: Der weltumarmende Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters (LSO) gilt als Gegenpol des introvertierten Haefliger. Und nicht zuletzt als dessen möglicher Nachfolger beim Festival ab 2025. Bischof schaffte es, das Luzerner Sinfonieorchester in der Stadt und in der Region zu verankern.
Mit offenen Augen und Ohren Neues wagen
Diesem Intendanten gehen die Ideen und die Geldgeber nicht aus, obwohl er dem LSO seit 2003 vorsteht. Bald dirigiert Sänger und Schauspieler Herbert Grönemeyer das Orchester, bringt eigene Werke wie auch Schumanns «Frühlingssinfonie» zum Klingen. «Das Projekt steht für den Geist, der uns sehr wichtig ist: Mit offenen Augen und Ohren Neues suchen und Experimente wagen», sagt Bischof.
Der 1970 geborene Basler Cellist und Betriebsökonom fordert die Innerschweiz heraus, weiss zu gut um den Wert des Ortes: «In Luzern gibt es keinen Courant normal. Das ist eine Musikstadt, die weltweit wahrgenommen wird. Alle haben ausserordentlich hohe Erwartungen daran, wie ein Konzerterlebnis sein soll: das Publikum, die Musiker, die Medien und die Sponsoren.» Und auch die Politik schaue hin, man finde heute eine Mehrheit, wenn ein Kulturprodukt eine Wertschöpfung generiert. «Das alles schaffen wir unter der Bedingung, dass uns zeitlich keine Grenzen gesetzt sind. Es braucht eine Generation, wenn nicht sogar zwei oder drei.» Und er fügt hinzu: «Es gibt Fussballklubs, die sind einfach Gewinner, die haben diese Ausstrahlung. Das gibt es auch bei Orchestern.»
Bezeichnend für dieses Selbstvertrauen ist auch, dass das LSO vermehrt Schwerpunkte setzt, Werke erarbeitet, die nicht zum Kanon gehören. «Erstklassig zu sein, heisst auch, einen relevanten Beitrag ans Musikleben eines Landes zu machen, es geht uns um eine Vertiefung», sagt Bischof und fragt das Gegenüber mit glänzenden Augen: «Wo werden ausserhalb Frankreichs in einer Saison alle fünf Klavierkonzerte von Saint-Saëns gespielt?» Bei allen Extras ist klar, dass es ein Fundament braucht: «Das Abo-Konzert hat Zukunft, aber flankierend dazu muss anderes geschehen: Wir machen Hörvorschläge, ganz unter dem italienischen Osteria-Motto ‹Der Chef empfiehlt›», so «Maestro» Bischof.
Mit seinem Chefdirigenten James Gaffigan ist er freundschaftlich verbunden. Kaum war klar, dass der US-Amerikaner eine neue Herausforderung suchen würde, hat Bischof einen Nachfolger verpflichtet – mit Michael Sanderling ist es einer, den viele haben wollten. So wie Bischof selbst.
Konzert
Gil Shaham spielt Mendelssohn
Luzerner Sinfonieorchester, James Gaffigan, Gil Shaham (Violine)
Mi/Do, 12.2./13.2.,19.30 KKL Luzern
Numa Bischofs Kulturtipps
CD
Franz Schubert: Klaviersonaten D 959 & 960 (DG 2016)
«Eine meisterhafte Aufnahme von Krystian Zimerman. Im ‹Andantino› der A-Dur-Sonate D 959 steht die Zeit still.»
Konzert
Martha Argerich & Luzerner Sinfonieorchester
«Am 15. April gibt es im KKL ein Sonderkonzert: Die Grande Dame du Piano spielt Ravels ikonisches Klavierkonzert.»
Kulturreise
Neapel
«Das Museum ‹Madre› und die aktuelle Ausstellung zu Arte Povera – verbunden mit einer Betrachtung des zeitlosen ‹Cristo Velato›. Rückkehr ins 21. Jahrhundert mit William Kentridge und Robert Wilson in der Metrostation ‹Toledo›. Penne all’arrabbiata in einer Seitengasse nach Sonnenuntergang.»