kulturtipp: Frau Brunner, Sie arbeiten als Redaktorin, Produzentin oder Moderatorin für 3sat. Nun moderieren Sie für den Gemeinschaftssender die «Kulturzeit». Was zeichnet die Arbeit für den supranationalen Sender aus?
Nina Mavis Brunner: Das Publikum ist heterogener, da es sich aus drei unterschiedlichen Ländern zuschaltet. Das macht die Arbeit spannend und verlangt von mir, täglich meine «Schweizer Brille» zu überprüfen. Ich springe damit mehr oder minder bewusst über meinen persönlichen helvetischen Tellerrand.
Wie muss man sich das Miteinander der verschiedenen Redaktoren vorstellen?
Man kann die feinen kulturellen Unterschiede der drei Länder innerhalb der Redaktion beobachten. Wer erachtet welche Themen als relevant und dringlich? Wo ist Raum für Humor und Ironie, wo nicht? Welches Bild haben wir Schweizerinnen und Schweizer von unseren Nachbarländern und umgekehrt? Das ist bereichernd.
Wie eng ist die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Deutschland und Österreich?
Das kommt darauf an, für welche 3sat-Redaktion ich arbeite. Für meine Moderationseinsätze bei der «Kulturzeit» reise ich regelmässig nach Mainz. Die Sendung wird in den ZDF-Studios produziert, die Redaktion befindet sich ebenfalls dort. Die 3sat-Partner arbeiten täglich zusammen. So sind beispielsweise ganze Beiträge aus der Sendung «Kulturplatz» des Schweizer Fernsehens in der «Kulturzeit» zu sehen. Wird in Mainz das Interview einer Schweizer Künstlerin gebraucht, organisiert allenfalls ein Kollege in der Schweiz den Dreh. Das wird von Fall zu Fall entschieden.
Wie werden die Themen festgelegt?
Die «Kulturzeit» ist ein tagesaktuelles Live-Format, das sich mit Kultur im engeren Sinne, aber auch mit Kulturpolitik und politischen Themen befasst. Es gibt Beiträge, die längerfristig geplant sind, aber auch solche, die sich im Lauf des Sendetags ergeben. Die Tagesverantwortung trägt der wöchentlich und länderübergreifend wechselnde Chef vom Dienst. Ich kenne spätestens in der Woche vor meinem Einsatz ein paar Eckpfeiler. Der Rest entscheidet sich kurzfristig, ähnlich wie bei einer Newssendung.
Wie und wie lange bereiten Sie sich auf die Moderationen vor?
Grundsätzlich muss ich immer am Ball bleiben und die Nachrichten, das Feuilleton, Kulturthemen und Gesellschaftspolitisches verfolgen. Die konkreten Moderationen schreibe ich erst am jeweiligen Tag, wobei ich mich mit dem Produktionsteam austausche. Dazu kommen Vorgespräche mit den Interviewgästen. Es sind intensive, lange und aufregende Tage.
Wie kam es dazu, dass Sie Moderatorin der «Kulturzeit» wurden?
Ich habe erfahren, dass die Schweizer Moderation neu besetzt werden soll, und habe mir gut überlegt, ob ich mir das vorstellen könnte. Es waren dann ein paar Stupser von Arbeitskollegen nötig, bis ich den Leiter von 3sat Schweiz darauf angesprochen habe. Dieser lud mich daraufhin zum Casting nach Mainz ein, wo ich Moderationen für eine Testsendung schreiben und zwei Studiogespräche vorbereiten musste.
Was haben Sie besser gemacht als die Konkurrenz?
Weshalb gerade ich das Rennen gemacht habe, weiss ich nicht im Detail. Ich habe mich einfach unglaublich gefreut, als ich damals am Zürichsee sass, am Handy einen verpassten Anruf entdeckte, meinen Chef zurückrief und die Worte hörte: «Als künftige Moderatorin der ‹Kulturzeit› musst du aber besser erreichbar sein!»
Sie haben einmal in einem Interview gesagt, man müsse «dem Zufall Raum lassen …» Trifft dies auch für die «Kulturzeit» zu?
Im Job, vor allem beim Moderieren, kommt es auf den Rahmen an. Da die «Kulturzeit» live ausgestrahlt wird, möchte ich mich weitgehend an das halten, was ich vorab geschrieben habe. Damit sich meine Kollegen darauf verlassen können und zu meiner eigenen Sicherheit. Eine Eilmeldung während der Sendung kann natürlich das Geplante jederzeit über den Haufen werfen. Bei Studiogesprächen möchte ich offener bleiben. Auch wenn ich mir vorab eine Art Fahrplan zurechtlege, muss ich auf das Gesagte reagieren. Ich freue mich, wenn Unvorhergesehenes passiert. Da wirds auch für den Zuschauer spannend, weil in solchen Situationen mehr von den Menschen am Bildschirm rüberkommt.
Wie findet man die optimale Balance von Planung und Zufall?
Ich suche gar nicht erst bewusst danach. Das Leben verläuft ohnehin in eine unvorhersehbare Richtung. Sobald ich mich bei der Arbeit vorbereitet fühle, lasse ich mich auf den Zufall ein. Ungefähr so läuft das bei mir ab.
Apropos Schicksal: Ihr berufliches Vorbild ist der im letzten Jahr verstorbene Publizist und Fernsehmoderator Roger Willemsen. Er hat einst gesagt: «Ich habe noch nie einen Moderator kennengelernt, der nicht klüger war als das Programm, das er machte.» Wie stehen Sie zu diesem Zitat?
Welch fiese Frage! Nun, Roger lag ja oft richtig. Da aber die «Kulturzeit» klüger kaum sein könnte, läge er in diesem Fall wohl falsch. Der Rest ist Schweigen …
Nina Mavis Brunner
Die 35-jährige gebürtige St. Gallerin studierte Ethnologie und Filmwissenschaft an der Uni Zürich. Sie arbeitet seit 2005 bei 3sat und beim Schweizer Fernsehen SRF als Moderatorin, Redaktorin oder Produzentin unter anderem für «Kulturplatz», «Schweizweit», «Rundschau », «Tonspur, der Soundtrack meines Lebens». Zuletzt war Brunner als Reporterin in der 3sat-Reihe «Reisegeschichten» zu sehen. Bei der «Kulturzeit» – dem 3sat-Kulturmagazin von ZDF, ORF, SRF und ARD – löste sie Anfang Februar Andrea Meier als Moderatorin ab.
Kulturzeit
Mo–Fr, 19.20–20.00 3sat