Berührungsängste kennt die «Literaturclub»-Moderatorin nicht. Video-Streitgespräche auf Facebook mit ihrem Kritiker-Kollegen Philipp Tingler? Ein Gastauftritt in der Klatsch-Sendung «Glanz und Gloria»? Nicola Steiner ist mit dabei und holt mit ihrer herzlichen Art nicht nur das literaturinteressierte Publikum ab. Andererseits zeichnet sie sich im «Literaturclub» durch fundierte Kritiken aus und stoppt als Moderatorin bei Bedarf souverän den allzu langen Redefluss eines Kollegen.
«Respektvolles Fetzen» über Bücher
«Diese Doppelrolle zwischen Moderatorin und Literaturkritikerin ist für mich noch immer eine grosse Herausforderung», sagt die 43-jährige Berlinerin, die seit 2003 in Zürich lebt, bei einem Mittagessen. Da kommt es ihr entgegen, dass sie sich mit den «Literaturclub»-Kritikern gut versteht: «Wir haben oft unterschiedliche Meinungen über Bücher, aber es ist immer ein respektvolles ‹Fetzen›.»
Dass sie ihre Leidenschaft für Bücher beruflich ausleben kann, empfindet sie als grosses Glück. Für privates Lesen bleibt bei dem grossen Lese-Pensum aber kaum Zeit. Nebst dem «Literaturclub» liest sie für die Radio-Sendung «52 beste Bücher» oder aktuell für den Solothurner Literaturpreis, bei dem sie in der Jury sitzt.
Nicht immer entsprechen die Bücher für die Arbeit dem privaten Geschmack. Ihrem Flair für junge Autorinnen und Autoren etwa, bei denen es noch Neues zu entdecken gibt, würde sie gerne mehr frönen. Manchmal platziert sie diese im «Literaturclub» – und setzt sich damit ab und an bei den Kritikern in die Nesseln.
«Lesen bedeutet für mich eine Erweiterung des Blicks: Es ist Selbsterfahrung und gleichzeitig das Reinschlüpfen in andere Rollen.» Oder wie es ihr «Literaturclub»-Gast Hazel Brugger in einer Sendung ausdrückte: «Lesen ist Jogging für die Empathie.» Kultur trage zum Zusammenhalt einer Gesellschaft bei, ist Steiner überzeugt. Umso begeisterter zeigt sie sich, dass SRF einem Literatur-Format eine lange Sendezeit zur «Late Primetime» zugesteht. Sie sagt aber auch: «Beim Marktanteil von rund 8 Prozent sind wir in einem guten Bereich angekommen. Ich befürchte aber, dass es Grenzen gibt, da die Literatur nicht unbedingt Hochkonjunktur hat.»
Ihre Leidenschaft für die Literatur will die Moderatorin anderen weitergeben. Nur bei der eigenen Tochter klappt das noch nicht, wie sie lachend gesteht: Während ihr zwölfjähriger Sohn Fantasy-Romane verschlingt, zeigt sich ihre Zehnjährige bisher unbeeindruckt von Mamas Bücherleidenschaft. Von pädagogischen Lese-Ermunterungen hält die Journalistin allerdings wenig. Schliesslich will auch sie ab und zu die Bücher im Regal stehen lassen: Wenn sie den Kopf frei kriegen will, brät sie für die Familie und den Freundeskreis Wiener Schnitzel. Oder sie schaut Netflix-Serien und tauscht die literarischen Figuren gegen «House of Cards»-Helden.
Fernsehen
Literaturclub
Di, 22.5., 22.25 SRF 1
Nicola Steiners Kulturtipps
Buch
Barbara Bleisch:
«Warum wir unseren Eltern nichts schulden»
Meine SRF-Kollegin widmet sich der Eltern-Kind-Beziehung aus philosophischer Perspektive – ein wichtiges Thema, das mich als Tochter und Mutter gleichermassen anspricht. Ein Plädoyer für die bedingungslose Liebe.
Film
«The Insult»
Ein grossartiger, intensiver und packender Film, mit einer Message, die weit über den realen Kontext der Geschichte hinaus wirkt. Aktuell in den Kinos.
CD
Faber: «Sei ein Faber im Wind»
Seine Texte sind romantisch, nachdenklich, rebellisch, frivol – und sie haben alles, was gute Lyrik ausmacht.