Die Musiknoten ziehen so ruhig über den Bildschirm des Computers, als wären sie von Hand gesteuert. Dazu läuft die Teenager-Simpelmelodie «What does the Fox say?» Gitarrenlehrer René Jung sitzt mit einem Schüler vor dem Computer, um das Stück anhand von Noten und Ton kennenzulernen und danach auf dem Instrument nachzuspielen. Die Stimmung ist locker, man spürt Lust an der Musik an diesem frühen Herbstabend in der Musikschule Wil SG.
Stete Motivation
Aber nicht nur: «Das Niveau ist gesunken in den letzten Jahren, die Schüler haben heute viel mehr Ablenkung», sagt René Jung, «sie geben schneller auf.» Tatsächlich sind die Ansprüche an die Musiklehrer stetig gewachsen. Sie müssen die Schüler bei der Stange halten, laufend für das Instrument motivieren. Jungs Kollegin Brigitte Maier, Geigenlehrerin, hält allerdings entgegen: «Wer sich und seine Zeit zu organisieren versteht, kann jeden Tag eine Stunde fürs Üben einsetzen.» Für Maier ist es wichtig, dass eine Musikschule Ensembles anbietet, in denen die Schüler unterschiedlicher Stärkeklassen frühzeitig miteinander spielen können – und immer wieder neu gefordert sind.
Modeströmungen
Zwar sind die Schülerzahlen landesweit stabil. Aber die Lehrer haben um ihre Schüler mehr zu kämpfen, wie Sigi Aulbach vom Schweizer Blasmusikverband sagt: «Wächst der Schulstress, wenden sie sich zum Ausgleich eher einem Sportclub zu.» Junge Bläser verzeichnen als einzige Sparte durchwegs einen Rückgang, in städtischen Gebieten markanter als auf dem Land, wo die Blasmusik eine grössere Tradition hat.
Die übrigen Sparten sind konstant belegt, etwa Klavier und Geige, während Schlagzeug eher Moden unterworfen ist. Der Unterricht einzelner Instrumente kann sich im Lauf der Zeit ändern, wie Mathias Kielholz von der Musikschule Zürcher Oberland sagt: «Wir können Rock und Pop nicht mehr wie früher unterrichten.» Die elektronische Musik, wie Techno, ist sehr beliebt, und die Lektionen hätten sich den neuen Bedürfnissen anzupassen. Gitarre ist gemäss seiner Erfahrung vornehmlich ein «Bubeninstrument», im Gegensatz zu den Gesangstunden, die eher Mädchen wählen.
Preisunterschiede
Eltern sind gut beraten, ihre Schüler am Wohnort in die Musikschule zu schicken, Auswärtige bezahlen durchwegs mehr. Die Preise für Musiklektionen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Sie sind allerdings kaum vergleichbar, da der Unterricht pro Semester beispielsweise unterschiedlich lange dauert:
- In Basel kostet der Unterricht 786 Franken – Lektionen à 50 Minuten für Kinder/Jugendliche bis 22 Jahre.
- In Zürich sind 1080 Franken zu bezahlen – Lektionen à 50 Minuten für Kinder/Jugendliche bis 20 Jahre.
- In Wil SG sind es 880 Franken – Lektionen à 60 Minuten.
Ebenso unterschiedlich wie die Preise ist die Entlöhnung der Instrumentallehrer. Im Landesschnitt liegt sie bei 110 000 Franken und entspricht damit knapp dem Gehalt eines Primarlehrers. Doch die Unterschiede sind kantonal enorm: Spitzenreiter sind Zug und Genf mit Löhnen von mehr als 140 000 Franken, Jahreslöhne von weniger als 80 000 Franken sind in der Zentralschweiz, im Thurgau, dem Aargau und in Graubünden üblich. Diese Unterschiede sorgen in der Branche immer wieder für rote Köpfe. Die Ungerechtigkeit ist auf die unterschiedlich hohen Subventionen zurückzuführen; der Musikunterricht gilt bei den Behörden in Kantonen wie Zürich und Basel offenbar mehr als in der Innerschweiz.
Da liegt der Ruf nach dem Bund nahe. Die Stimmbürger haben 2012 die Volksinitiative «Jugend und Musik» mit grossem Mehr angenommen. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Musikkreisen hat nun einen Bericht für das Departement des Innern ausgearbeitet. Darin werden im Wesentlichen Forderungen erhoben, die bereits im Vorfeld der Abstimmung zu hören waren.
Einfacherer Zugang
Der Zugang zum Musikunterricht soll künftig einfacher und günstiger sein. Eine breitere Talentförderung wäre nötig, Musik und Berufsausbildung sollten sich einfacher vereinbaren lassen. Und der Bund soll vor allem die Kantone dazu anhalten, den Musikunterricht zu koordinieren. Einzelne Kantone kennen bis heute kein eigenes Musikgesetz.
Für die Aargauer Ständerätin Christine Egerszegi ist es «erfreulich, wie schnell diese Arbeitsgruppe ihren Bericht verfasste». Er liegt jetzt bei Bundesrat Alain Berset. Dieser muss entscheiden, ob der Bund ein eigenes Gesetz ausarbeiten und eine allfällige Vorlage der Landesregierung unterbreiten will. Sicher ist, dass Klavierspieler Berset den Anliegen der Musiker einige Sympathie entgegenbringen wird.
Haltungsänderung
Die Politikerin Egerszegi hat indes erkannt, dass der Staat nicht alles richten kann: «Es ist vor allem eine Haltungsänderung in den Schulen nötig.» Denn der Musikunterricht komme im Vergleich zu den Promotionsfächern oft zu kurz. «Er soll nicht mehr nur nebenher laufen.»
Aber selbst optimale Bedingungen garantieren noch keinen Erfolg. Letztlich kommt es wie überall im Unterricht auf den Lehrer an: «Das Lamentieren über das Niveau und das Üben, dass die Schüler schneller aufgeben und schwierig zu motivieren seien, ist so alt wie der Musikunterricht», betont Niklaus Rüegg, Kommunikationsbeauftragter beim Verband Musikschulen Schweiz (VMS) und Gesanglehrer an der Regionalen Musikschule Liestal.