Der japanische Regisseur mit Jahrgang 1962 hat sich wiederholt mit dem Thema Familie beschäftigt, etwa in «Like Father, Like Son» (2013). In «Shoplifters» (Ladendiebe) diskutiert Hirokazu Kore-eda anhand einer in ökonomisch prekärer Lage lebenden Gemeinschaft die Frage, was eine Familie ausmacht. Vor allem dann, wenn es gar keine «richtige», durch Blutsverwandtschaft definierte, ist.
Gesellschaftlich nicht-konformes Leben
So wie bei Familienoberhaupt Osamu Shibata. Er bewohnt mit den Seinen ein kleines Häuschen am Rande von Tokio. Mit ihm leben Oma Hatsue, Mutter Nobuyo, Tante Aki und Sohn Shota. Am Anfang des Films sieht man den Vater mit dem Sohn bei einer gut eingespielten Ladendiebstahl-Aktion. Die einzelnen Familienmitglieder arbeiten zwar, Osamu bis zu einem Unfall auf dem Bau, Nobuyo in der Wäscherei, Aki in einer Peepshow. Aber es reicht wohl nicht. Auch wenn die Oma noch eine Pension ins Gemeinschaftsbudget einbringt.
Osamu hat eine eigene Logik, wenn es um das «Geschäft» des Ladendiebstahls geht: «Es ist kein Diebstahl, denn die Waren im Supermarkt gehören ja noch niemandem.» Als Osamu und Shota auf dem Heimweg ein kleines Mädchen antreffen, nehmen sie es nach Hause. Sie entdecken Brandwunden an seinem Körper – und beschliessen, die Kleine zu «behalten», wie selbstverständlich in ihre Familie aufzunehmen. Auch hier dieselbe Logik: Solange sich niemand meldet, der das Kind vermisst, ist es keine Entführung.
Es ist die schiere Liebe oder Mitmenschlichkeit, welche die Shibatas antreibt. Und das Gefüge dieser Familie funktioniert. Aber nur, solange es gut geht. Denn man kommt ihnen auf die Schliche, die Behörden greifen ein. Das gesellschaftlich Nicht-Konforme wird sanktioniert, das Gefüge darf so nicht sein und wird am Ende zerstört – es warten Heim, Zwangseinquartierung in einer Kleinstwohnung und Knast.
Ein schwerer Stoff, möchte man meinen. Doch Kore-eda erzählt feinfühlig und mit einer wunderbaren Leichtigkeit.
DVD
Shoplifters – Familienbande (Manbiki Kazoku)
Regie: Hirokazu Kore-eda
Japan 2018
DVD, 112 Minuten
(Praesens 2019)