Eigentlich wollte er auf der Heimfahrt von Mailand nach Frankfurt nur kurz in Muotathal (SZ) vorbei. Der deutsche Unternehmensberater Jan Keplitz, im schnittigen Audi S5 unterwegs, verlässt die Autobahn, um in der Innerschweizer Gemeinde eine Erbschaftsangelegenheit abzuwickeln. Er ist der verlorene Sohn, der seinen Vater, den «Moschti», nie gekannt hat. Dieser ist zusammen mit seiner Begleiterin auf der Skitour in einer Lawine ums Leben gekommen. Jan (Johannes Franke) erbt die stillgelegte Schreinerei des Vaters. Einige im Dorf hoffen auf Innovation: dass auf dem Gelände ein Wellness-Tempel entstehe, der Aufschwung bringt.
Ein selbsternannter Sheriff und ein Gothic-Girl
Ein anderer dagegen will, dass alles so bleibt, wie es ist. Der Dorfpolizist, Jans Onkel Alois «Wisi» Gwerder, spekuliert auf das Erbe seines verstorbenen Bruders und führt sich wie ein Sheriff auf. Da passt der Cowboy-Hut dazu, und seinen Offroader hat er mit einem Stern und der Aufschrift «Sheriff» versehen. Der eigenmächtige Ordnungshüter erspresst den Neuankömmling, indem er ihm den Autoschlüssel stiehlt. Er solle gefälligst das Formular mit der Erbverzichtserklärung unterschreiben.
Jan, der keinen Zugriff auf Pass, Papiere, Geld und Handy hat, quartiert sich in der Schreinerei ein. Hier befindet sich der Proberaum eines Musikduos, das gerade in einer Krise steckt. Sängerin Tonja (Annina Walt) ist ein Gothic-Girl, schwarz gewandet und geschminkt, mit bleichem Teint. Sie spricht kein Wort und kann auch anderes als Düster-Rock: In der Schreinerei spielt sie Jan auf dem alten Hohner-Örgeli Rees Gwerders Schottisch «Echo vom Höllloch» vor. Tonja lebt bei ihrer älteren Schwester Judith (Noëmi Steffen), Kassiererin im Dorf-Laden und Schrottkünstlerin, die Jan menschlich näherkommt.
Der «Schwobe-Moschti» hegt Heimatgefühle
Jan, den sie im Dorf bald den «Schwobe-Moschti» nennen, begegnet knorrigen Charakteren, die sich am Stammtisch im «Sternen» treffen. Wird er, der nur schnell in der Provinz vorbeischauen wollte, am Ende etwa bleiben? Welches Schicksal erwartet die Schreinerei?
Die Figurenzeichnungen der Dorfgemeinschaft und die «Western«-Atmosphäre sind gelungen. Ein paar Schwächen sind indes auszumachen: Wie plausibel ist es etwa, dass ein Mensch aus dem Ruhrpott die Muotathaler mit ihrem urchigen Dialekt problemlos versteht? Offen bleibt, wieso Jan als Kleinkind offenbar seine Heimat Richtung Deutschland verlassen hatte – Detailrügen für einen ansonsten geglückten Schweizer Film.
«Die Einzigen» ist ein Doppeldebüt: Die Schwyzer Autorin Martina Clavadetscher hat hier ihr erstes Drehbuch verfasst, und für die Berner Regisseurin Maria Sigrist ist es der erste Langspielfilm.
DVD
Die Einzigen
Regie: Maria Sigrist
CH 2017
DVD, 88 Minuten
(SRF/Praesens 2017)