Die Vermittlung von Musik hat in den letzten Jahren in der Schweiz deutlich zugelegt. Publikumsschwund und die Überalterung, die am Lebensnerv vieler Veranstalter nagen, befördern musikvermittelnde Angebote ins Programm. Die Branche hat erkannt: Wer sich nur um steigende Besucherzahlen kümmert, denkt zu kurzfristig. Ziel muss eine möglichst nachhaltige Verankerung von Musik in der Gesellschaft sein. Dazu bedarf es kreativer Angebote, die zwar der Tradition gerecht werden, aber der Innovation genügend Raum lassen.
Mehr Stellenwert
«Die Szene ist enorm gewachsen, die Angebotsvielfalt hat zugenommen», so Irena Müller-Brozovic, Vorstandsmitglied von Kulturvermittlung Schweiz und Präsidentin des Vereins Musikvermittlung Schweiz+. Mit ihrem wachsenden Stellenwert ist die Professionalisierung der Musikvermittlung vorangeschritten: So bieten die Schweizer Akademie für Musik und Musikpädagogik sowie die Zürcher Hochschule der Künste seit 2009 einen Nachdiplomstudiengang in Musikvermittlung und Konzertpädagogik an. Auch die Hochschule der Künste Bern (HKB) widmet dem Thema seit drei Jahren einen Schwerpunkt. Musikvermittlung sei nicht mehr nur Teil der pädagogischen Weiterbildung, erklärt Barbara Balba Weber, Dozentin für künstlerische Musikvermittlung an der HKB. Sie werde jungen Musikerinnen und Musikern stattdessen bereits zu Beginn ihrer Laufbahn in praktischen Projekten nahe- gebracht. Man versuche verstärkt, einen Bezug zur Lebenswelt Jugendlicher herzustellen, sagt Müller-Brozovic.
Diesem Kurs folgt auch das Tonhalle-Orchester Zürich (TOZ), das bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts erste Jugendkonzerte veranstaltete. Heute sind es rund 31 000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die das TOZ mit seinem breit gefächerten Musikvermittlungsangebot jährlich erreicht.
Klassiker und Neues
Bei der Zusammensetzung des Programms lege man Wert darauf, dass es «partizipative Projekte gibt und solche, bei denen es nur um das Geniessen von Musik geht», erklärt Mara Corleoni, Leiterin der Abteilung Musikvermittlung der Tonhalle-Gesellschaft Zürich. Hauptkriterium bei der Programmgestaltung der Familienkonzerte sei, sowohl Klassiker als auch Neue Musik zu bringen, sagt Corleoni.
Nach dem Motto «Peter Gynt goes Hip Hop» führten Schüler der Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ) und des städtischen Projekts «Klassenmusizieren» (KlaMu) gemeinsam mit Orchestermitgliedern eine Hip-Hop-Adaption von Griegs «Peter Gynt Suite» auf. Ziel dieses ungewöhnlichen Stilmix: «Jugendliche setzen sich kreativ mit einer Musik auseinander, zu der sie sonst weniger Zugang haben», erläutert Corleoni. Nicht selten fänden so auch ihre Familien, Freunde und Bekannte das erste Mal den Weg in die Tonhalle. Die Organisation der Konzerte «TOZdiscover» nehmen Schüler selber in die Hand. Ähnlich wie in einem Trainee-Programm sind acht sogenannte «Schülermanager» ein halbes Jahr in den Betrieb des TOZ integriert. «Dieses Projekt ist ein weiterer Weg des Tonhalle-Orchester Zürich, der Generation Y einen neuen Zugang zur klassischen Musik zu verschaffen», erläutert Corleoni.
Fünf Fragen an eine Schülerin
«Toll war es, zu merken, dass auch klassische Musik Rhythmus und Beat hat»
Die 12-jährige Nicole Pantic´ besucht die 6. Klasse des Stadtzürcher Schulhauses Kornhaus. Sie tanzt Hip-Hop und besucht einen Theaterkurs der Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ).
kulturtipp: Wie kamst du zu dem Projekt?
Nicole Pantic´: Der Hip-Hop-Lehrer Michael Reichert hat uns über die Tonhalle-Show informiert und gefragt, ob wir Lust auf die Show hätten. Natürlich hatten wir Lust, auch weil das eine gute Chance für unsere Karriere ist. Vom Rappen hat er mir ebenfalls erzählt und hat mich gefragt, ob ich dabei mitmachen wolle. Auch darauf hatte ich Lust.
Was hat dir besonders gefallen?
Gefallen hat mir, dass wir mal etwas Neues ausprobierten und nicht die ganze Zeit zur gleichen Musik tanzten. Toll war es, zu merken, dass auch die klassische Musik Rhythmus und Beat hat.
Hast du etwas Neues gelernt?
Ich habe gelernt, zur klassischen Musik zu tanzen und mich passend zu ihr zu bewegen.
Wie verbindest du die unterschiedlichen Stile?
Am Anfang gab es Probleme, sich der Musik anzupassen. Dies ging aber nach einiger Zeit, weil der Takt recht gut geeignet war für unsere Tänze.
Hat sich dein Verhältnis zur klassischen Musik nach dem Projekt verändert?
Früher habe ich klassische Musik nicht so interessant gefunden. Doch jetzt finde ich sie spannender, seitdem ich weiss, dass man auch auf klassische Musik gut Hip-Hop tanzen kann.
Veranstaltungen
Weitere Angebote im Bereich Musikvermittlung
Lucerne Festival
www.lucernefestival.ch/de/lucerne-festival-young/konzerte-fuer-kinder-und-familien
Konzerttheater Bern
blog.konzerttheaterbern.ch/schulhauskonzert-peter-und-der-wolf-saison-2016-2017/
Sinfonieorchester Basel
www.sinfonieorchesterbasel.ch/de/musikvermittlung.html
Argovia Philharmonic Aarau
www.argoviaphil.ch/de/perspektiven