Chorstimmen, Pauken und Fanfaren, orientalische Melodien. Schutt und Asche überall: «Es regnet Backsteine.» Ein Turm stürzt ein. «So entstehen statt Beigen überall Backsteinhaufen.» Es ist «sünd und schade». Michael Fehrs Text «Babel» erzählt die alttestamentarische Geschichte anders, als man sie kennt, als Variation und Neuinterpretation. Die Stimmen für die rhythmisierte Sprache stammen von Laurin Buser, Anatol Atonal, Tobias Pingler und von Autor Michael Fehr.
Ungewöhnliche Töne
Im zweiten Text «Die Studentin» teilen sich Lara Stoll, Lisa Christ und Michèle Friedli die Titelrolle, einem Chor gleich. Es geht in satirisch-kritischer Manier um Leistungsstreben in einer Welt von «Übervollzeitarbeit». Thomas Weiss trägt als Perkussionist die Musik dazu bei – «es chlepft und tätscht». Es ist Body-Drumming, bei dem der eigene Körper als Resonanzraum fungiert.
Der dritte Teil «Ein Rebhuhn auseinandernehmen» ist eine in einen Wörterfluss gefasste Gebrauchsanweisung dafür, wie man in dieser Sache am besten zu Werke geht: «Man nimmt es zwischen die Beine und zieht den Hals lang.» Das Rupfen der Federn nicht zu vergessen. Den Stimmen sind Beats und Bässe unterlegt, wie man sie aus dem Hip-Hop kennt.
In diesen drei Produktionen sind ungewöhnliche Hörspieltöne zu vernehmen. Die Texte besitzen einen ganz eigenen Klang, sind musikalisch und rhythmisch, durchsetzt mit Metaphern sowie dialektalen Wendungen. Das auffällig Musikalische ist die eine Besonderheit des Hörspiel-Textes. Das andere so Regisseur Claude Pierre Salmony: «Es geht sehr räumlich zu in diesen Texten von Michael Fehr.» Sie seien von einer «ausserordentlichen Visualität».
Bewusst hat Regisseur Salmony auf Schauspieler-Stimmen verzichtet. Es sei eine Art Tradition bei seiner Arbeit, «immer wieder etwas zu probieren, was ich noch nie gemacht habe». So habe er es spannend gefunden, mit Leuten zu arbeiten, «die eine ganz andere Art haben, an einen Text heranzugehen». Salmony suchte und fand Slam Poeten und Rapper. Angehörige einer jungen Generation mit einer anderen Auffassung davon, wie man Texte interpretiert.
«Ein gutes Gefühl»
Die Erfahrungen mit dieser neuen Herausforderung wertet der Regisseur positiv. Die Zeit der ungewöhnlichen Hörspielproduktion sei «sehr intensiv und aufregend» gewesen. Und: «Ich hatte schon während der Arbeit ein sehr gutes Gefühl mit diesen jungen Leuten zusammen.»
Ob gedruckt, vorgetragen oder eben in einem Hörspiel – Texte von Michael Fehr sind eigenständig. Die Literatur des 1982 geborenen Berner Autors ist immer auch Klangkunst. Er schafft in seinen Texten originelle und unverkennbare Wörterwelten. Demnächst erscheint das zweite Buch von Fehr. Mit Auszügen aus «Simeliberg» gewann er bei den Tagen der deutschen Literatur in Klagenfurt 2014 (Ingeborg-Bachmann-Preis) gleich zwei Auszeichnungen.
Buch
Michael Fehr
«Simeliberg»
144 Seiten
(Der gesunde Menschenversand 2015).
Erscheint am 1.2.
Hörspiel
Babel und die Studentin und ein Rebhuhn auseinandernehmen
Von Michael Fehr
Regie: Claude Pierre Salmony, Michael Fehr
Mi, 21.1., 20.00 Radio SRF 2 Kultur