Grau, blau, grün schimmert das Wasser, die kahlen Felswände der Churfirsten ragen in den Himmel entlang dem Walensee. Das nackte Stahlgerüst am südlichen Seeufer durchbricht die mystische Stimmung. Tänzer und Schauspielerinnen wirbeln zu den Klängen des E-Pianos darüber. Es ist der erste Probetag auf der bereits aufgestellten Walensee-Bühne, wo Mitte Juni das Sommermusical «Flashdance» Premiere feiert. Nach den Erfolgsproduktionen «Die Schöne und das Biest» und «Titanic» kehrt der Musicalsommer mit dem Filmklassiker von Adrian Lyne aus dem Jahre 1983 auf die Walsensee-Bühne im sanktgallischen Walenstadt zurück.
Tagsüber Schweisserin, nachts Tänzerin
Das 22-köpfige Ensemble erzählt die Geschichte der jungen Alex Owens und deren Freunde nach, die danach streben, ihre Träume zu verwirklichen. Trotz vielen Unwägbarkeiten kämpft die junge Alex entschlossen dafür, Tänzerin zu werden. Hierzu muss sie am renommierten Konservatorium im US-amerikanischen Pittsburgh aufgenommen werden. Der Weg ist steinig und verlangt der 18-Jährigen viel ab. Tagsüber arbeitet sie als Schweisserin in einer Stahlfabrik, nachts als Tänzerin in einem Kabarett.
Die Geschichte von der Einzelkämpferin, die nach Unabhängigkeit strebt und auf dem Weg der Liebe begegnet, berührt das Publikum auch fast 40 Jahre nach Erscheinen des Films. Dieses «für etwas brennen», seine Leidenschaft ausleben, das wolle doch insgeheim jeder einzelne, erklärt Bianca Berndt-Patschank. Die Identifikation mit der Hauptfigur sei gross, deshalb habe das Stück noch heute seine Berechtigung, so die Regieassistentin weiter.
Die Sehnsucht nach Leichtigkeit
Das Musical hätte bereits vor zwei Jahren gespielt werden sollen. Und das 80er-Revival hält an. Sei es in der Mode oder in der Musik: das Lebensgefühl des Feierns, das Leben geniessen, das Ankämpfen gegen Widerstände. Bianca Berndt-Patschank ist deshalb überzeugt, dass das Stück unter der Leitung des tschechischen Regisseurs Stanislav Mosa nach der Pandemie und der aktuellen Weltlage eine willkommene Abwechslung ist: «Gerade jetzt sehnen wir uns doch alle nach einer Erfolgsgeschichte, nach etwas Leichtigkeit.»
Dafür probt die Crew sechs Tage die Woche. Jeder Ton, jeder Schritt, jede Drehung, sogar das Hinfallen wird geübt, bis es sitzt. Die Akteure folgen konzentriert den Anweisungen des Regisseurs, bringen aber auch eigene Ideen ein. Deren Energie, deren Tatendrang nach fast zwei auftrittsfreien Jahren ist spürbar. Die Pause streichen sie freiwillig, lieber wollen sie nochmals den Schlusstanz üben.
Beinstulpen und Bodys wie damals
Das Musical wird, trotz der internationalen Besetzung, in deutscher Sprache aufgeführt. Alle Songs des Films, inklusive der Welthits «Maniac», «Gloria» und des oscargekrönten Titelsongs «Flashdance … What a feeling», werden in Englisch performt und mit Neukompositionen auf Deutsch ergänzt. Das Musical lebt von den Tanzeinlagen, welche von der fünfköpfigen Liveband begleitet werden. Dank gedeckter Zuschauerterrasse kann bei jedem Wetter gespielt werden – Gewitter ausgenommen.
Noch wirbeln die Darstellerinnen und Darsteller in Sportkleidern in schwindelerregender Höhe über das Stahlgerüst. Doch schon bald werden die Trainerhosen gegen Beinstulpen und Bodys getauscht, so wie Jennifer Beals sie im Film trägt – bis heute unvergessen.
Flashdance – Das Musical
Premiere: Mi, 15.6., 19.45 Walensee-Bühne, Walenstadt SG
www.walenseebuehne.ch
Zeitreise zurück in die 80er
Der Fitnesskult Aerobic fand seinen Weg nach Europa, die Grossstädte waren voller Punks, der Widerstand gegen die Atomkraft wuchs, und der Spiegel veröffentlichte die Hitler-Tagebücher: In den 80ern geschah gesellschaftlich, politisch und kulturell einiges, was die Welt prägte. Eine kleine Zeitreise zu den kulturellen Highlights einer bewegten Dekade:
Film
Rob Reiner: Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers (Columbia Pictures 1986)
Basierend auf Stephen Kings Novelle «The Body» erzählt der Abenteuerfilm die Geschichte von vier Teenagern, die sich im Sommer 1959 auf die Suche nach einem verschwundenen Jungen machen. Ein berührendes Drama übers Erwachsenwerden und über Freundschaften.
Buch
Patrick Süskind: Das Parfüm (Diogenes 1985)
Der Roman eines bis anhin unbekannten Autors aus München betörte beim Lesen wie die Düfte des Mörders Grenouille und wurde damit zum sinnlichen Schauergenuss. Und zum Bestseller.
Essen
Apéro-Igel
Er stand beim Eintreffen der Gäste meist schon bereit und entlockte diesen ein höflich gehauchtes «Oh». Der Apéro-Igel war Kult in den 80ern. Ein Kabis (oder eine Ananas) wurde rundherum mit auf Zahnstochern aufgespiessten Häppchen gespickt: Käse und Trauben, Speck oder Oliven.
Song
Nena: 99 Luftballons (Epic Records 1983)
Die deutsche Band Nena lieferte mit «99 Luftballons» einen Welthit. Die Idee zum Liedtext kam dem Band-Gitarristen bei einem Rolling-Stones-Konzert im damaligen Westberlin, bei dem eine grosse Menge bunter Ballons in den Himmel aufstieg. Er fragte sich, was passieren würde, wenn die Ballons über die Grenze nach Osten treiben würden.