Das Musical «Tanz der Vampire» von Michael Kunze und Jim Steinman hat 1997 unter der Regie von Roman Polanski am Raimundtheater Wien das Licht der Welt erblickt – 30 Jahre nach dem Film. Seither ist diese muntere Geschichte um Professor Abronsius und seinen Begleiter Alfred, die in den tief verschneiten Karpaten nach Vampiren suchen, landauf, landab gespielt worden.
Als Schauspieler hat Ulrich Wiggers selber schon den dubiosen Wirt Shagal gespielt. Dabei kam «immer das Gefühl auf, man könnte es auch mal anders machen», sagt er. Diese Gelegenheit hat er jetzt. Wiggers führt Regie in der St. Galler Neuinszenierung, die eine sogenannte «Non-replica»-Produktion ist: Normalerweise nämlich müssen Musicals genau so nachgespielt werden, wie ihre Schöpfer sich das gedacht haben – das wird streng überwacht. In St. Gallen haben sie einer Neufassung zugestimmt. Das heisst: Text und Musik bleiben unangetastet, alles andere kann sich ändern.
«Ich wollte die beiden Schauplätze des Originals, also Wirtshaus und Schloss, in einen Ort zusammenführen», erklärt Ulrich Wiggers seinen zentralen Ansatzpunkt. Zusammen mit Bühnenbildner Hans Kudlich und Franz Blumauer, der für die Kostüme verantwortlich ist, hat er diesen Ort gefunden: ein Kurhotel. Einer jener Plätze also, an denen sich der wohlhabende Mensch der Gegenwart von den Strapazen des Kapitalismus und der Konsumgesellschaft zu erholen pflegt. Wobei das Kurhotel modernisierter Teil eines alten Schlosses ist – womit die Brücke zum Original geschlagen wäre.
Expedition in die Welt des Heilens und Aussaugens
In dieses Sanatorium nun geraten Professor Abronsius und sein Gehilfe Alfred – gespielt und gesungen von Sebastian Brandmeir und Tobias Bieri. Dem Vampirforscher Abronsius fällt sofort auf: Da hängen Unmengen von Knoblauch. Man macht in diesem Kurhaus auch Knoblauchkuren. Woraus der Professor messerscharf schliesst: Hier können die Vampire nicht weit sein. Nur, wer sind die Vampire, wer die Menschen, die sich mit Knoblauch vor ihnen schützen? Das, sagt Wiggers, «ist eben nicht mehr so klar. Die Vampire haben eine Evolution durchgemacht. Auch sie sind jetzt am Tage wach, einzig das Sonnenlicht vertragen sie nicht. Das heisst: Die Vampire leben unter uns.»
In diese Welt des Heilens und des Aussaugens unternehmen nun Abronsius und Alfred ihre Expeditionen. Alfred stösst auf ein Bad, wo gerade die schöne Sarah (Mercedesz Csampai) verweilt. Sie ist die Tochter Shagals (Jerzy Jeszke), der im Auftrag des Grafen von Krolock (Thomas Borchert) das Institut führt. Von ihm hat Sarah rote Stiefel geschenkt bekommen: Sie soll damit zum Mitternachtsball kommen. Noch ist sie ein Mensch, aber der Graf, Herrscher über eine ganze Schar von Vampiren, hat sie schon im Auge. Wobei er sich als Getriebener zeigt, wenn er von jener unstillbaren Gier singt, die ihn beseelt und die ihn niemals satt werden lässt. Der Menschheit prophezeit er eben dies: «Der einzige Gott, dem jeder dient, ist die unstillbare Gier.»
«Extrem physisch und sehr fetzig»
Die Differenz zwischen Vampiren und Menschen ist also nicht sehr gross. Weshalb es seine Logik hat, dass sie sich im Sanatorium begegnen. Der Graf hat die Vampire um sich geschart, die Menschen kommen als Kurgäste. Das bedeutet, der Graf erinnert sich zwar noch an seine allererste Liebschaft im Sommer 1617, aber er lebt auch im Jetzt. «Die Kostüme versetzen das Stück in die Gegenwart», erklärt Franz Blumauer. «Aber im zweiten Akt, wenn sie sich zum Mitternachtsball treffen, spiele ich mit den Zeiten.» Denn schliesslich sei ja in unterschiedlichen Generationen und Jahrhunderten gebissen worden, ergänzt Peter Heilker, der Chef des Musiktheaters in St. Gallen.
Im zweiten Teil darf Blumauer der Neigung zum Prachtvollen stärker nachgeben. Im ersten muss er Rücksicht nehmen auf Jonathan Huor, der die Tanzszenen choreografiert hat und «Tanz der Vampire» als «eine grosse und schöne Spielwiese» bezeichnet. Huor sei bekannt für seinen «extrem physischen, sehr fetzigen und von grossen motorischen Kunststücken geprägten Stil», sagt Peter Heilker. Was das bei «Tanz der Vampire» bedeutet, das wird man sehen.
Rasche Wechsel von Schauplätzen
So entführt diese Neuinszenierung nicht in eine vergangene, gespenstisch-unheimliche Welt, sondern spielt aus der Gegenwart heraus mit unterschiedlichen Ästhetiken. Da gibt es, wie Heilker sagt, «zum einen Vampire, wie sie uns heute etwa aus den ‹Twilight›-Filmen geläufig sind. Und zum andern historische Rückblicke.» Da das durchkomponierte Stück rasche Schauplatzwechsel erfordert, hat das Theater den Bühnenbildner Hans Kudlich beschäftigt, der in. Gallen schon mehrere Musicalproduktionen («Jesus Christ Superstar», «Grease», «Miss Saigon») ausgestattet hat.
Auch der deutsche Darsteller Thomas Borchert hat hier immer wieder gesungen. Seinen Grafen von Krolock kennt er bestens, spielte er ihn doch schon in Hamburg, Berlin und Wien. Das habe Vorteile, sagt er: «Den Text hab ich im kleinen Finger und kann mich ganz entspannt auf die Proben einlassen.»
Tanz der Vampire
Premiere: Sa, 18.2., 19.30
Theater St. Gallen