Das musikalische Leitmotiv, inspiriert von Bach oder Pink Floyd, setzt gleich zu Beginn eine unverwechselbare Duftmarke. Die Herzensmelodie des Phantoms, «The Music of the Night», bleibt in den Köpfen haften, ebenso wie weitere Hits aus Lloyd Webbers Erfolgsmusical. Und auch szenisch hat das «Phantom» ein paar ikonische Momente. Der berühmteste ist wohl der herabstürzende Kronleuchter.
Das Motiv findet sich schon in der Vorlage, dem Schauerroman «Le Fantôme de l’Opéra» von Gaston Leroux aus dem Jahr 1911. Und es hat einen realen Hintergrund: Am 20. Mai 1896 stürzte in der Opéra Garnier in Paris – vermutlich aufgrund eines Brands im Dachgeschoss – tatsächlich der Kronleuchter von der Decke und erschlug eine Zuhörerin.
Auch andere Motive im Roman lassen sich auf Tatsachen zurückführen. Die verwinkelten Räume des 1875 eingeweihten Opernhauses etwa, mit unzähligen versteckten Treppen und Durchgängen.
Oder der unterirdische See, über den das Phantom Christine mit dem Boot entführt: Die Oper wurde auf sumpfigem Grund gebaut, und in den Fundamenten sammelt sich das Wasser in einem grossen Becken. Bis heute muss es regelmässig abgepumpt werden.
Entstelltes Musikgenie in den Katakomben der Oper
Leroux und Lloyd Webber erzählen von einem entstellten Musikgenie, das versteckt in den Katakomben des Pariser Opernhauses lebt. Es verliebt sich in die Stimme und die Erscheinung der jungen Sopranistin Christine, die es unterrichtet und in sein verstecktes Reich lockt.
Was natürlich Christines Freund Raoul nicht gefallen kann. Eine dramatische Dreiecksgeschichte, angereichert mit zahlreichen, oft sehr opernhaften Elementen, nimmt ihren Lauf. Christine und Raoul kriegen sich am Ende, das Phantom entschwindet im Dunkeln, zurück bleibt nur seine Maske.
Bis heute hält der britische Starkomponist Andrew Lloyd Webber die Zügel straff in der Hand, wenn es um die Nutzung seiner Werke geht. Seine Firma mit dem neckischen Namen The Really Useful Group vergibt die Rechte an seinen über 20 Werken von «Jesus Christ Superstar» über «Evita» bis «Starlight Express» oder «Sunset Boulevard» nur sehr restriktiv.
Und sie wacht auch bei der Realisierung und Umsetzung der Produktionen über den Willen des Maestros. Manche Werke durften auch schon frei inszeniert werden, doch das «Phantom» zum Beispiel wurde zwar überarbeitet, aber im Wesentlichen fast nirgends anders gezeigt als in der Ur-Inszenierung von Harold Prince aus dem Jahr 1986 in London.
Basel baute eigens für das Musical ein Theater
Nur bei der Sprache gibt es Anpassungen: In den 46 Ländern und 193 Städten, in denen das Stück gezeigt wurde, kam es auf 21 Übersetzungen. Das «Phantom» gilt als das erfolgreichste Musical der Geschichte.
Jedenfalls hält es den Rekord für die längste Laufzeit am Broadway, wo man 2023 das 35-Jahre-Jubiläum feierte. Und auch die Einspielung gilt als die meistverkaufte Musicalproduktion auf CD.
Im Oktober 1995 hob sich zum ersten Mal der Vorhang im Musical Theater Basel, das extra für diese Produktion für 15 Millionen Franken in eine ehemalige Messehalle hineingebaut worden war. Basel schnappte damit den Zürchern das lukrative Gastspiel des Musicals weg, die dort mit den Baubewilligungen nicht vom Fleck kamen.
Wie schon 1995 wird auch diesmal in Basel das Original in Englisch gesungen. Die Broadway-Produktion war in Riad, Dubai und Sofia zu sehen und kommt aktuell gerade aus Lissabon in die Schweiz. Damals, vor 30 Jahren in Basel, durfte ein Einheimischer das Phantom singen.
Es war der Anfang vom Aufstieg des Baselbieters Florian Schneider als Musicaldarsteller. Über 500-mal sang er die Rolle seines Lebens, auch wenn der vielseitige Darsteller bis heute ein breites Repertoire über das Musical hinaus pflegt.
Auch im aktuellen Stück wurde das Phantom besetzt mit einem Darsteller, der eine besondere geografische Verbindung zum Ort der Aufführung hat. Nicht zu Basel, sondern zum arabischen Raum, wo das Musical zum ersten Mal überhaupt zu sehen war. Der britische Schauspieler und Sänger Nadim Naaman mit libanesischen Wurzeln sang in Riad und Dubai und sorgte für den Heimbonus.
Traumrolle für Nadim Naaman
Naaman wuchs in London auf, sah als Teenager die Plakate für das «Phantom» in den Bussen. Zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern konnte er die Show besuchen und war hingerissen. «Das Phantom ist meine Traumrolle. Ich wusste, dass ich geduldig warten und die Hoffnung nicht aufgeben werde, dass ich sie eines Tages singen darf.
Dass es dann gerade in einem arabischen Land sein würde, ist die perfekte Kombination der Umstände. Das hätte ich mir nie träumen lassen», sagte er in einem Interview. Aber der Brite hat auch alles dafür getan.
Er bewarb sich für die verschiedensten Rollen in diesem Musical, war Ersatzdarsteller, sang auch den Raoul. Als es dann endlich so weit war und Naaman das Phantom singen durfte, schloss sich für ihn ein Lebenskreis, wie er sagt: «Raoul habe ich immer sehr nahe bei mir gefühlt.
Das Phantom ist etwas ganz anderes. Nur schon in den Spiegel zu schauen und eine komplett fremde Person zu erblicken und rauszugehen und jemanden zu spielen, der nichts mit mir gemein hat, ist eine befreiende Erfahrung. Es war ein hartes Stück Arbeit, so weit zu kommen, aber es hat sich gelohnt.»
Das andere Stück harter Arbeit ist sein Aussehen: Bis sich Nadim Naaman mit Maske, Prothese und Schminke in das Phantom verwandelt hat, braucht es bei jeder Vorstellung mehr als eine Stunde Arbeit.
Phantom of the Opera
Mi, 6.11.–So, 22.12.
Musical Theater Basel
www.musical.ch