Verblichener Stolz der schweizerischen Bekleidungsindustrie: Der Name «Bally» stand einst für Mode und Qualität einheimischer Schuhe, die im Solothurner Städtchen Schönenwerd fabriziert wurden. Heute ist der Name «Bally» zwar noch eine Handelsmarke, doch die Maschinen in den Fabrikationsgebäuden stehen still. Das neu eröffnete Museum «Ballyana» erinnert an den verlorenen Glanz.
Der Schweizer Heimatschutz führt dieses Bijou der vergangenen Industrialisierung nun in seinem neu erschienenen Band «Die schönsten Museen der Schweiz» auf. Die Architektin Françoise Krattinger hat die Angaben von 50 Museen in der Schweiz zusammengetragen, die einen Besuch lohnen. Die Häuser werden mit je zwei Fotos und einem kurzen Einführungstext vorgestellt. Ein handlicher Führer also, um die hiesige Museumslandschaft neu zu entdecken. Die grossen Häuser wie die Kunstmuseen oder auch das Technorama in Winterthur fehlen. Die Leserschaft soll auf Unbekanntes stossen: etwa auf das wundervolle Musée du papier peint im freiburgischen Mézières. Die Herrschaftsvilla eines schweizerischen Offiziers in französischen Diensten aus dem 18. Jahrhundert ist mit grossartigen Tapeten drapiert. Oder das Ziegeleimuseum in Hagendorn bei Cham ZG, das an die Keramiktradition erinnert.
Das Büchlein ist grafisch ansprechend gestaltet und fügt sich in die bisherige Reihe von Broschüren des Heimatschutzes, darunter der Hotel- oder der Kaffeehaus-Führer. Die Serie wird fortgesetzt mit «Die schönsten Gärten und Parks» im Frühjahr und «Orte der Kunst» im nächsten Herbst.
Françoise Krattinger betont, dass diese Führer unabhängig sind: «Wir treffen die Auswahl und schreiben die Texte. Niemand bezahlt einen Beitrag.» Der Heimatschutz hat sich dieser Aufgabe angenommen, weil er zum Kernauftrag der Institution gehört: «Dem materiellen und dem immateriellen Kulturerbe Sorge zu tragen», sagt Krattinger.
Historisches Museum Blumenstein, Solothurn
Dieses Haus erzählt die Geschichte der Stadt Solothurn: Der barocke Sitz geht auf das frühe 18. Jahrhundert zurück und dokumentiert den Machtanspruch damaligen Landadels perfekt – ebenso wie dessen Niedergang, bis die Liegenschaft 1952 in den Besitz der Stadt überging. Im Untergeschoss erhält der Besucher einen Eindruck vom unterschiedlichen Leben vergangener Klassengesellschaften, im Obergeschoss ist ein Teil der Solothurner Geschichte zu sehen. Und von der Sündhaftigkeit vergangener Zeiten zeugt pikanterweise eine Geheimtür zum Kammerzofenstübchen.
Das Vindonissa Museum, Brugg AG
Ein Archäologiestudent soll Ende des 19. Jahrhunderts Reste eines römischen Amphitheaters entdeckt haben. Damals war das Interesse an den Spuren der Vergangenheit immens: Man sehnte sich in einer industrialisierten und sozial ungerechten Welt nach den «klassischen Werten» zurück. Systematische Ausgrabungen setzten ein, ein neues Museum im Jugendstil sollte die gefundenen Schätze präsentieren, ähnlich wie in Avenches VD oder Kaiseraugst BL. Heute ist das Vindonissa Museum Teil eines Erlebnisparks, der dem Besucher das römische Leben in der Provinz näher bringt.
Das Roothuus, Gonten AI
Ostschweizer Nüchternheit und standesbewusster Auftritt: Das vermittelt das Roothuus von Gonten, das burgunderrot leuchtet. Beeindruckend ist der Festsaal im dritten Stock mit der für die Gegend typischen Architekturmalerei, die den Wohlstand und den politischen Einfluss des Besitzers belegt: «Haubtmann Johan Baptist Broger – Fr Maria Francisca Konigunda Fritzerin 1765». Das Roothuus ist ein Zentrum für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik, es beherbergt kein Museum, sondern dient kulturellen Aktivitäten wie etwa Konzerten. Auf Führungen erhält der Besucher einen Eindruck vom Appenzeller Leben.
Textilmuseum, St. Gallen
Die Textilbranche gehört zur Ostschweiz wie die Uhrenindustrie zum Jura. Das St. Galler Textilmuseum mitten in der Altstadt erinnert an diesen weiterhin wichtigen Wirtschaftszweig. Das Haus dient mit seinen variantenreichen Stoffen, Spitzen und Stickereien immer wieder der Inspiration von Gestaltern. Die Sammlung reicht zurück bis in das Mittelalter und zeigt, wie gefragt Ostschweizer Textilien heute noch sind. Die Bestände des Museums und der Bibliothek wurden aus den Archiven der Textilindustrie und den Mustersammlungen von Stoffanbietern zusammengetragen.
Buch
Die schönsten Museen der Schweiz
120 Seiten
Zweisprachig D/F
(Schweizer Heimatschutz 2015).