«Mord auf dem Säntis» Eifersuchtsdrama am Berg
Die Kammeroper «Mord auf dem Säntis» rollt in spektakulärer Kulisse einen wahren Fall aus dem Jahr 1922 auf.
Inhalt
Kulturtipp 12/2011
Babina Cathomen
Im Schneesturm kämpft sich der Schustergeselle Gregor Kreuzpointner über die gefährliche Ostwand auf den Säntis. Oben bei der Wetterstation angekommen, holt er eine Waffe hervor und erschiesst das Wetterwart-Ehepaar Heinrich und Maria Magdalena Haas. Nur Hund «Sturm» kommt mit dem Leben davon. So oder ähnlich soll es sich im Jahr 1922 auf dem Gipfel zugetragen haben, wie die Appenzeller Polizeibeamten ermittelten.
Der Konstanzer Theaterintendant und J...
Im Schneesturm kämpft sich der Schustergeselle Gregor Kreuzpointner über die gefährliche Ostwand auf den Säntis. Oben bei der Wetterstation angekommen, holt er eine Waffe hervor und erschiesst das Wetterwart-Ehepaar Heinrich und Maria Magdalena Haas. Nur Hund «Sturm» kommt mit dem Leben davon. So oder ähnlich soll es sich im Jahr 1922 auf dem Gipfel zugetragen haben, wie die Appenzeller Polizeibeamten ermittelten.
Der Konstanzer Theaterintendant und Jurist Christoph Nix hat für sein Stück im Rahmen des 23. Bodenseefestivals die alten Akten ausgegraben und an den Originalschauplätzen recherchiert. Aus dem mörderischen Stoff hat Nix das Libretto geschrieben, in dem er über den Hergang spekuliert: Handelt es sich um die Tat eines Wahnsinnigen, um ein Eifersuchtsdrama, oder hatte der Mörder ein politisches Motiv? Kreuzpointner hatte sich wie Haas um den Posten des Wetterwarts beworben – dem Ehepaar, dessen Kinder im Tal zur Schule gingen, wurde aber der Vorzug gegeben. Möglich, dass sich der mittellose und von seiner Verlobten verlassene Kreuzpointner am Ehepaar rächen wollte. Möglich auch, dass ihm der «Sozi» Haas ein besonderer Dorn im Auge war. Der Hauptverdächtige konnte nicht mehr einvernommen werden, denn er hatte sich kurz nach der Tat in einer Alphütte das Leben genommen – und sich so der Todesstrafe, die damals noch in
einigen Kantonen herrschte, entzogen.
Bildersprache
Bereits der Film «Der Berg» von Markus Imhoof von 1992 hat sich dem düsteren Stoff angenommen. Intendant Nix und Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic bringen nun ihre eigenen Interpretationen in das Bergdrama ein. Die psychologische Ebene, die Motive Neid und Eifersucht, rückt die Regisseurin in den Vordergrund, wie sie sagt. «Ich möchte eine Bildersprache finden, um den Mordfall rückwirkend aufzurollen. Das Sennentuntschi-Motiv wird eine weitere Ebene darstellen», erklärt sie. Ein sechsköpfiges Vokalensemble, eine Art griechischer Chor, wird das Geschehen kommentierend begleiten.
Bei der Vertonung der Kammeroper setzt Nix auf gegensätzliche Klangwelten: Mit der Komposition hat er den Avantgarde-Komponisten und Posaunisten Friedrich Schenker und den Volksmusikkünstler Noldi Alder beauftragt. Während der Appenzeller Alder die alte Mord-Geschichte von Kindheit an kennt, tritt Schenker mit dem Aussenblick an das Stück heran. Die Komponisten haben mit Hackbrett und Naturjodel, beziehungsweise mit Posaune und Alphorn ihren Auftritt im Stück.
Sopranistin Jeannine Hirzel, die eine der drei Solistenrollen singt, hat sich bereits Wochen vor der Aufführung auf dem Säntis eingerichtet. Schliesslich setzt das Singen auf 2501 Metern Höhe über Meer eine gewisse Kondition und Angewöhnung an die Luftverhältnisse voraus. Als Bühne dient die Panoramahalle. Die spektakuläre Naturkulisse wird aber erst nach und nach enthüllt, wie Regisseurin Hadziahmetovic verrät. Und anders als der Mörder anno dazumal müssen sich die Zuschauer nicht über
die Steilwand heraufkämpfen – schliesslich wurde 1935 die erste Schwebebahn auf den Säntis eröffnet.