«Die Liebe, mein Herz, sucht man sich nicht aus.» Diese Worte ihrer Grossmutter hat die Ich-Erzählerin in Monique Schwitters Roman in ihrer Kindheit oft gehört. Inzwischen ist sie selbst über 40, Schriftstellerin und Mutter zweier kleiner Kinder – und hat mit der Liebe ihre eigenen Erfahrungen gemacht.
Als sie eines Abends spontan den Namen ihres ersten Freundes Petrus googelt, erfährt sie, dass er sich vor vielen Jahren umgebracht hat. Obwohl sie lange nicht mehr an ihn gedacht hatte, lässt sie der Selbstmord ihres ersten Geliebten nicht mehr los. Und sie beginnt, in Tagebuch ähnlichen Aufzeichnungen ihre Erinnerungen an ihre erste und die folgenden Liebschaften aufzuschreiben.
Beim Schreiben wird sie immer wieder von der aktuellen Beziehung mit ihrem Mann Philipp, mit dem sie in Hamburg lebt, eingeholt. Sie muss sich eingestehen, dass die Beziehung im Argen liegt: Die Gefühle sind zwar noch da, aber ihr Mann treibt die Familie mit seiner Spielsucht in den finanziellen Ruin.
Zurück in die Heimat
Schliesslich bleibt nur noch die Flucht in ihren Heimatort Zürich – ohne Mann, ohne Kinder. Hier begibt sie sich, stets begleitet von ihrer treuen alten Hündin, nochmals auf die Spuren der Vergangenheit.
In insgesamt zwölf Kapiteln lässt die Ich-Erzählerin ihre Männer Revue passieren. Sie tragen die Namen der zwölf Apostel: Nach Petrus folgt Andreas, Jakob, Johannes, Thomas … Darunter sind nicht nur lange Liebes-Beziehungen, sondern auch eine Affäre, ein One-Night-Stand, eine harmlose Flirterei, eine tiefe Freundschaft, platonische oder fantasierte Verhältnisse und im Schlusskapitel die Beziehung zum geliebten Bruder, der jung an Krebs gestorben ist. Über allem schweben die Fragen: «Was ist das, die Liebe? Wieso kann sie kommen und gehen? Wohin geht sie, wenn sie geht?»
Glück und Gewohnheit
Die 43-jährige, in Hamburg lebende Zürcher Autorin und Regisseurin Monique Schwitter, die zahlreiche biografische Eckpunkte mir ihrer Ich-Erzählerin gemeinsam hat, geht in ihrem kunstvoll aufgebauten Roman dem Wesen der Liebe auf den Grund: dem rauschenden Glück, der Gewohnheit, dem Schmerz oder dem Verrat.
Dabei wechselt sie gekonnt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realität und Imagination. Nebst religiösen und mythischen Motiven fehlen auch surreale Elemente nicht, etwa wenn ein Pinguin am Hamburger Himmel fliegt und die verlorene Ich-Erzählerin nach Zürich lotst.
Roman im Roman
Schwitter spielt zudem mit den Metaebenen, dem Roman im Roman: «Aber die schöne Reihe der Gesandten, die ganze Männerchronologie wird durchkreuzt, es gibt ein Problem. Das Leben spielt nicht mit. Es drängt herein in mein Buch und greift nach der Handlung», stellt die Ich-Erzählerin fest und schliesst: «Selber schuld, wenn man glaubt, man könne die Liebe packen, untersuchen und – vor allem – verstehen!» Am Schluss jedoch soll das Leben sich dem Text anpassen, sie will sich ein Happy End mit ihrem Gatten Philipp herbeischreiben.
Mit «Eins im Andern» ist Monique Schwitter ein leichtfüssiges Werk gelungen, das nie an Schwung verliert. Für ihren Romanauszug hat sie am Bachmann-Wettbewerb zwar keinen Preis, aber gute Kritiken erhalten. Inzwischen stand sie auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und gilt als aussichtsreiche Kandidatin für den Schweizer Buchpreis.
Buch
Monique Schwitter
«Eins im Andern»
232 Seiten
(Droschl 2015).
Lesung
Fr, 23.10., 20.00
Literaturhaus Zürich
Im Rahmen von «Zürich liest» stellen Monique Schwitter, Martin R. Dean und Meral Kureyshi ihre Werke vor.
Fernsehen
«Literaturclub»
Di, 27.10., 22.20 SRF 1
Nicola Steiner, Elke Heidenreich, Philipp Tingler und Daniel Cohn-Bendit diskutieren u.a. über Monique Schwitters neuen Roman