Welch ein Mensch kommt da wohl das Zürcher Limmatquai hoch? Wer ist diese 23-jährige Pianistin, die mit zwei Jahren ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte und demnach ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum bereits hinter sich hat? Mona Asuka Ott ist erstaunlich geerdet, das zeigt sich gleich bei ihrem Besuch im Restaurant Terrasse. Normal halt. Und so bedrängen wir sie mit einer Frage, noch bevor ihr Pfefferminztee auf dem Tisch steht; mit einer Frage nach der berühmten Pianistin Alice Sara Ott, ihrer drei Jahre älteren Schwester, die bei der Deutschen Grammophon CDs einspielt.
Solokarriere im Auge
Keine Spur von Konkurrenzkampf und Eifersucht. «Wir zwei hatten als Geschwister in den letzten 20 Jahren nur Vorteile. Ich konnte und kann von Sara viel lernen, sie hat geradezu für mich gekämpft.» Schon früh waren die zwei ein verschworenes Gespann, das sich bis heute erfolgreich gegen den Druck der Konzertveranstalter wehrt, ein Hanny & Nanny-Klavierduo zu werden: «Wir konzentrieren uns auf die Solokarriere», sagt Mona Ott entschieden.
Doch trotz innigen Verhältnisses kam es vor kurzem zu einem entscheidenden Einschnitt. Die grössere Schwester verlangte, Mona solle die Haare abschneiden, damit die andauernde Verwechslung der beiden ein Ende finde. Mona weigerte sich strikt, Alice Sara gab nach … und schnitt ihre eigenen Haare ab. Erstaunlicherweise stand der gedeihlichen Entwicklung dieser zwei Pianistinnen am Anfang wortwörtlich eine Mauer im Weg – dahinter lockte das Paradies, der Flügel von Mama Ott! Die Japanerin wollte nämlich nicht, dass ihre Töchter Pianistinnen werden, denn sie wusste nur zu gut, wie hart dieser Weg sein würde.
Und so baute sie eine meterhohe, reich bebilderte Kartonmauer um den Flügel. Es half nichts. Alice durfte mit vier Jahren ran, die gut zwei Jahre jüngere Mona kurz darauf. Und obwohl diese frühe Beschäftigung mitsamt den ersten Auftritten nach Kinderdressur tönt, sagt Mona: «Die Eltern haben uns nicht zum Spielen gezwungen; ich spürte nie Druck.» Alles schien vorbestimmt. Als Mona im Kindergarten gefragt wurde, was sie einmal werden wolle, sagte sie «Hase». Ihre Schwester war schockiert und meinte, sie wolle doch Pianistin werden! Da antwortete Mona: «Ich bin schon Pianistin!»
Träumen erlaubt
Bei aller Freude: Die Enttäuschungen kamen von alleine. Mona Asuka Otts Karriereweg ist noch heute nicht in Stein gemeisselt; sie akzeptiert das und sucht immer neue Inspirationsquellen. Dabei erinnert sie sich stets an
die Ermahnung ihrer Mutter: «Schaut nicht nur auf das, was ihr nicht habt, sondern auf das, was ihr bereits habt und andere nicht.» Mona Ott fügt an: «Wenn man immer nur darauf fokussiert, was andere schon erreicht haben, wird man irgendwann verrückt.» Aber sie wäre keine Künstlerin, würde sie nicht vom Rezital in der New Yorker Carnegie Hall und vom grossen Plattenvertrag träumen.
Zurzeit träumt sie eher vom «Boswiler Sommer», auch wenn sie bis vor einem Jahr den Namen des Aargauer Dorfes noch nie gehört hatte; vom Festival allerdings sehr wohl. Denn in Moritzburg schwärmte ihr der Geiger Alexander Sitkovetsky von einem Zauberort mit toller Atmosphäre vor … und erst als sie ihren Vertrag unterzeichnet hatte, wurde Ott klar: Das muss Boswil gewesen sein!
Im Freiamt warten grosse Aufgaben auf die junge Pianistin, denn am Boswiler Festival Artist sind Formationen mit unterschiedlichsten Programmen zu erleben. Vor ihr wagten da heutige Stars wie Khatia Buniatishvili, Sol Gabetta oder Nikolai Tokarew Auftritte. Womit wir zurück beim Thema Weltkarriere sind – und den Träumen. Erstmals wird Mona Ott etwas verlegen. «Das geht manchmal sehr schnell. Es ist nah, andererseits weit entfernt …» Und als kleine Verteidigung ihres aktuellen Status sagt sie: «Ich muss nicht in jeder TV-Show sitzen, mich müssen nicht alle kennen, aber ich will spielen und glücklich bleiben.»
30 bis 40 Auftritte hat sie pro Jahr, halb so viel wie die weltberühmten Kollegen. Sie verschweigt nicht, dass sie gerne mehr spielen würde. Bei aller Gelassenheit weiss Ott, dass ein frühes Sprungbrett für die grosse Karriere wichtig ist. «Man muss es vor 40 schaffen.» Irgendwann sei der Jugendbonus weg, dann zähle nur noch die Musikalität.
Boswiler Sommer
Sa, 28.6.–So, 6.7.
Mona Asuka Ott in der alten Kirche beim Künstlerhaus
Sa,, 28.6., 20.15
So, 29.6., 17.00/21.30
Do, 3.7., 20.15
So, 6.7., 17.30
www.kuenstlerhausboswil.ch