Man stelle sich die Aufregung vor: Das Hochseil haben die Zirkusleute zwischen den Häusern gespannt. Jetzt balanciert ein Akrobat hoch über dem Dorfplatz, wo seine Kollegen auf einer kleinen Bühne ihre Nummer vorführen. Dieser Mut!
Vieles hat sich verändert seit den Anfängen des Circus Knie Ende des 19. Jahrhunderts. Mit einigen wenigen Wagen zog die Artisten-Familie damals von Ort zu Ort, spielte unter freiem Himmel. Gastiert der Zirkus heute in einer Stadt, sieht man das grosse Zelt, die Lastwagen und Anhänger meist schon von Weitem. Und doch, etwas hat sich nie geändert: Zu einem Zirkus gehören Kostüme.
Von Alltagstrends inspiriert
Der Circus Knie feiert dieses Jahr seinen 100. Geburtstag als National-Zirkus. Das Textilmuseum St. Gallen widmet dieser Institution deshalb die Ausstellung «Mode Circus Knie». Gut 90 Kleidungsstücke werden in drei Räumen ausgestellt – und bieten einen Einblick in die lange Geschichte des Familienunternehmens. Das Gros dieser Exponate stammt aus der Sammlung des Zirkus selber, manches von einem Privatsammler.
«Die Kostüme sind in einem beeindruckend guten Zustand», sagt Ilona Kos, die an der Ausstellung mitarbeitet. Leichte, mit Pailletten bestickte Seidenjacken zeugen von den Akrobatik-Nummern aus der Jahrhundertwende; Römer- und Torero-Kostüme erinnern an die Pantomimen-Vorführungen, die damals ebenfalls zum Programm gehörten. 1919 kaufte sich die Familie Knie das erste Zirkuszelt. Damit veränderten sich Programm und Kostüme. Fortan setzte man vor allem auf Dressur-Nummern, die leichten Akrobaten-Kleider wichen Mänteln, Jacken und Fräcken. Applikationen und Stickereien mit floralen Mustern und Tieren zieren diese Stücke.
Die Ausstellung bietet auch einen Einblick in die Entwicklung des Zirkus-Kostüms. Viele der Kleider stammten von der renommierten Pariser Kostüm-Schneiderei «Maison Vicaire». Dort stützte man sich für das Design gerne auf jeweils aktuelle Trends aus Alltags- und Unterhaltungsmode – Schlaghosen oder von Las-Vegas-Shows inspirierte Feder-Kostüme, knallige Farben und synthetische Stoffe. Und doch fällt auf: Gewisse Kostümtypen hielten sich stets. «Ein Kostüm muss den Zuschauern zeigen, welche Rolle ein Artist einnimmt», erklärt Kos. Ein gutes Beispiel dafür ist die Uniformjacke, die man oft an Dompteuren, Dresseurinnen und Zirkus-Direktoren sieht. Mit den aufgenähten Goldkordeln lässt sich dieses Kleidungsstück bis auf Philip Astley zurückführen, ein britischer Zirkus-Pionier und ehemaliger Kavallerist.
Und natürlich sind auch Pailletten nicht aus dem Zirkus wegzudenken. Dass man bei den Kostümen noch immer auf diese setzt, hat laut Kos einen einfachen Grund: «Sie wirken im Licht der Manege hervorragend.» Also, hereinspaziert ins Zirkus-Zelt, hier glitzert es!
Mode Circus Knie
Do, 7.3.–So, 19.1.
Textilmuseum St. Gallen