Er übt ungeniert beim Warten auf Flughäfen. Der deutsche Cellist Daniel Müller-Schott geht auch gerne zu Schulkindern oder spielt mal als «Vorgruppe» für Hardrock-Bands wie Metallica: Der Musiker hat keine Berührungsängste. Er teilt sein Leben über Facebook mit der ganzen Welt, seine Musik über Youtube und Soundcloud mit allen, die ihn hören wollen, und er nennt seine Homepage selbstbewusst «TheCellist.com». Mehr noch: Er lässt sich seine leidenschaftliche Freude am Fussball durch Verletzungsängste nicht nehmen, sondern trommelt Freunde zusammen, wenn er in seiner Heimatstadt München weilt. So erstaunt es wenig, dass dieser ungewöhnliche 39-jährige Musiker für einen Auftritt in der Konzertreihe «Tonhalle Late» zu gewinnen war, die klassische Musik mit DJ-Sound und elektronischer Tanzmusik verbindet.
Ein Beständiger
Zu den Klängen von DJ Mirco Caruso und der amerikanischen Techno-Band Octave One wird Müller-Schott mit dem Cellokonzert von Antonín Dvorák um das junge Publikum werben. Es gehört zusammen mit den Konzerten von Schumann und Elgar sowie Tschaikowskys «Rokoko-Variationen» zu den wenigen grossen romantischen Konzerten für dieses Instrument. Müller-Schott hat es schon als Teenager einstudiert und seither immer wieder gespielt. Mit einer Aufnahme aber hat er sich bis fast zu seinem 40. Lebensjahr Zeit gelassen: Letztes Jahr kam seine Version auf den Markt und erntete viel Lob der Fachpresse für ihre Leidenschaftlichkeit und ihren Klangfarbenreichtum.
In Zürich kann man sich nun freuen, wenn der Cellist mit dem Tonhalle-Orchester unter seinem Chefdirigenten Lionel Bringuier dieses Konzert Anfang Dezember dreimal aufführen wird. Denn Daniel Müller-Schott ist kein Musiker, der seine Interpretationen ständig verändert. Er steckt viel Gedankenarbeit hinein und hält dann an seinen Erkenntnissen gerne fest, eine Eigenschaft, die ihn mit seiner Musiker-Freundin Anne-Sophie Mutter verbindet. «Die Kombination von sinfonischer Grösse und kammermusikalischer Intensität ist von überwältigender Balance und Schönheit», sagt er über Dvoráks Cellokonzert.
Daniel Müller-Schott hatte das Glück, Mstislav Rostropowitsch, den grossen Cellisten des 20. Jahrhunderts, noch als Lehrer zu erleben und von ihm wertvolle Impulse zu erhalten: etwa zu den Konzerten von Schostakowitsch, Britten oder Prokofjew, die für Rostropowitsch geschrieben wurden.
Auf Tonsuche
In den Unterrichtsstunden kam auch das Konzert von Dvorák zur Sprache, und der unverwechselbar intensive Ton, den der russische Cellist hervorbringen konnte: «Er hat mir einmal gezeigt, wie man den Ton aus dem Cello mit grösstmöglicher Intensität heraus modellieren kann, und wie man es schafft, den Bogen zu wechseln, ohne dass ein Bruch entsteht, wie ein Sänger, der nicht atmen muss. Das hat mich als jungen Musiker unglaublich beeindruckt.»
Starke, wenn auch unterschiedliche Persönlichkeiten sind Steven Isserlis und Heinrich Schiff, die anderen Lehrer von Daniel Müller-Schott. «Ich fand es immer ein Glück, so verschiedene Persönlichkeiten als Lehrer gehabt zu haben.» Schon bei Walter Nothas in München hatte sich der junge Cellist die Tonleitern und Etüden, die man als Rüstzeug braucht, sowie das Standard-Repertoire angeeignet. Die Suche nach dem eigenen Ton ist für den Gewinner des renommierten Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs – 1992 im Alter von 15 Jahren – ein ständiger Ansporn.
«Jemanden wie Rostropowitsch erkennt man nach wenigen Sekunden an seinem Ton.» Das habe neben der Kraft seiner Persönlichkeit mit Dingen wie Vibrato, mit Bogendruck, mit der ganzen Physiognomie zu tun. Wenn man Cello spiele, schwinge der Körper mit, und das verändere wiederum den Klang des Instruments, erklärt er. «Das heisst, jedes Cello klingt anders, wenn ein anderer Mensch es spielt. Ich finde es faszinierend, wie komplex und individuell das alles ist.»
CDs mit Daniel Müller-Schott
Britten/Prokofjew/ Schostakowitsch: Cellosonaten
Francesco Piemontesi (Klavier)
(Orfeo 2015).
Dvorák: Cellokonzert
Romantische Stücke u.a.
NDR Sinfonieorchester, Robert Kulek (Klavier)
(Orfeo 2014).
Haydn: Cellokonzerte
Australian Chamber Orchestra (Orfeo 2003).
Konzerte mit Tonhalle-Orchester Zürich
Mi, 9.12., 19.30 Dvorák und Tschaikowsky
Do, 10.12., 12.15 Lunchkonzert: Dvorák
Fr, 11.12., 22.00Tonhalle Late: Dvorák und Electronic
So, 7.2., 19.30 Kammermusik von Schumann, Berg, Brahms und Nino Rota mit Sharon Kam (Klarinette) und Enrico Pace (Klavier)
Karten: www.tonhalle-orchester.ch