Im Januar fragten sich die Freunde des Opernhauses Zürich verunsichert, was nun stimme – hat das Opernhaus Zürich Erfolg oder nicht? Die positive Bilanz war kaum bei den Aktionären angekommen, da titelte die «Sonntagszeitung» auf Andreas Homoki zielend: «Pereiras glückloser Nachfolger». Der «Tages-Anzeiger» antwortete mit «Die Zahlen stimmen» und meinte, dass sich der Systemwechsel von Intendant Alexander Pereira zu Andreas Homoki gelohnt habe, schliesslich verzeichne man einen Gewinn von 156 000 Franken.
Neuer Vertrag
Der neue Vertrag folgt dem Erfolg. Der von Ex-Regierungsrat Markus Notter geführte Opernhaus-Verwaltungsrat hat die heftig brodelnden Pro- und Kontra-Homoki-Diskussionen diesen Sommer mit der Vertragsverlängerung beendet. Homoki erfüllte schliesslich die Forderungen. Warum sollte der Verwaltungsrat schon wieder über andere Intendanten nachdenken? Dass Homoki bleiben will, ist klar: Er führt bei bestem Lohn ein
A-Haus und bleibt dadurch als A-Haus-Regisseur weltweit im Gespräch. Und er bezieht mit Gast-Engagements sehr hohe Nebeneinkünfte. Homokis Vertrag beinhaltet in seinem Salär pro Saison eine Inszenierung in Zürich. Ab einer zweiten Inszenierung pro Spielzeit wird seine Zürcher Regietätigkeit zusätzlich vergütet. Homoki «nutzte» diesen Vertragspassus in der ersten Saison aus, in der zweiten nicht. Dafür war er an der Wiener Staatsoper für die Regie von Wagners «Lohengrin» verantwortlich.
Mehr als ein Zustupf
Auch in der ersten Saison war er auswärts zu sehen (Mailänder Scala!), allerdings nur mit der Wiederaufnahme seiner Zürcher «Holländer»-Inszenierung. Geld erhielt er dafür trotzdem. Homoki-Wiederaufnahmen gab es 2014 unter anderem in Dresden und Oslo.
Damit sich Homoki nicht selbst Spitzengagen auszahlen kann, gibt es eine Zürcher Regel: «Die Bandbreite der Gagen für Gastregisseure ist sehr gross und richtet sich letztlich nach dem Marktwert des Künstlers», sagt Finanzchef Christoph Berner. «Homokis Regiegage wurde einvernehmlich so definiert, dass sie unter der Zürcher Höchstgage liegt.» Angaben zur Zürcher Spitzengage gibt das Haus keine – und somit lässt sich viel spekulieren. Sicher ist, dass Kaliber wie Christoph Marthaler in Zürich zwischen 50 000 und 80 000 Franken pro Regie verdienen. Homokis Lohn für die zweite Zürcher Arbeit, oder auch jene in Wien, ist also mehr als ein Zustupf.
Co-Produktionen sind sinnvoll. Aber es ist doch befremdend, dass Homoki zur Saisoneröffnung «Lohengrin» von Richard Wagner spielen lässt – jene Produktion also, die an der Wiener Staatsoper im April zu sehen war. Könnte es zur Zürcher Saisoneröffnung von Seiten des Hausherrn nicht etwas mehr Exklusivität sein?
Der Sparfuchs
Zurück zum Vertrag: Der Verwaltungsrat war nicht erschrocken, als in der zweiten Saison unter Homoki (2012/2013) weniger Karten (13 000) verkauft wurden als einst bei Pereira. Man spielte schliesslich weniger oft als einst. Dem Verwaltungsrat war ebenso egal, dass die Einnahmen um 4 Millionen geringer ausfielen, denn Homoki kennt das Wort «sparen» gut. Er schrieb einen Gewinn, da er im einst unantastbaren künstlerischen Bereich, das heisst bei den Dirigenten-Honoraren, viel Geld sparte. Gradmesser in diesem Zahlenspiel ist allerdings die Eigenwirtschaftlichkeit: Sie sank auf 36,4 Prozent – immer noch höher als vom Verwaltungsrat erwartet. Bei Pereira lag die Zürcher Eigenwirtschaftlichkeit bisweilen bei 45 Prozent. Man wird den Verdacht nicht los, dass man die Fehler von einst, den laschen Umgang mit Sonnenkönig Pereira und seinem Star- bzw. Millionenverschleiss, mit Milde gegenüber Kumpel Homoki gutmachen will.
Künstlerisch hat sich das Haus vom «Gemischtwarenladen Pereira» zu einem Opernbetrieb gewandelt, der ein Profil kennt – gemässigt modern in der ästhetischen Ausrichtung, immer noch offen für Sängerstars. Homoki-Sänger, die es zum Publikumsliebling geschafft haben, gibt es aber kaum mehr. Die Identifikation mit dem Haus über die
Sänger fehlt. Neue Gäste tauchten bisweilen nur in einer einzigen Produktion auf, die Ensemble-Entdeckungen halten sich in Grenzen. Ausnahmezustand herrscht, wenn die Altstars Bartoli oder Gruberova im Haus sind. Im März 2015 wird gar Anna Netrebko als Anna Bolena zu erleben sein. An einem solchen Abend lehnt sich der Opernfreund genüsslich in den Sessel, dann ist der Zürcher in seinem Opernhaus zu Hause.
Keine «Oper für alle»
Homoki bietet nicht die lautstark propagierte «Oper für alle», obwohl er mehr Subventionsgeld (81 Millionen) als Pereira erhält. Wer die Aufführung drinnen im Haus erleben will, zahlt 35 bis 230, für die Festspiel-Premiere am Sonntag 38 bis 320 Franken. Homoki behielt Pereiras Hochpreispolitik bei, er sagte, es ginge nicht anders. Mit dem gesparten Geld bezahlt er seinen gewachsenen Apparat; die Dramaturgie und nicht zuletzt die Marketing-Abteilung. Einfacher gesagt: Man muss nun viel mehr unternehmen, um das Publikum am Haus zu halten. Einst, da genügte ein Star-Tenor. Immerhin: Die Massenabwanderung des Publikums fand nicht statt. Über den modernen Regie-Stil wird dennoch weiterhin heftig geklagt. Nur Homoki tut so, als ob alle alles super fänden.
Die Opernfan-Klagen sind der Kritik fremd. Bei der «Opernhaus des Jahres»-Wahl der Zeitschrift «Opernwelt» belegte Homoki Rang 3, beim «International Opera Award» in London wurde Zürich gar zur Opera Company of the Year ernannt. Typisch, dass die Fachwelt von Homokis intelligentem Haus schwärmt. Der alteingesessene Opernfan hingegen ist mehrheitlich ein Geniesser grosser Stimmen, er sucht sein Seelenheil in Hohen Cs – Pereira verschleuderte dafür Millionen, gab (oder kaufte) dem Haus damit aber eine Seele. Homoki interessiert das Hohe C kaum, er will mit den alten Opern lieber wilde Geschichten für ein heutiges Publikum erzählen. Der Verwaltungsrat fühlt sich davon offenbar angesprochen.
Lohengrin
Inszenierung: Andreas Homoki
So, 21.9., 17.00 Opernhaus Zürich
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