Grosse Hochzeit auf der Insel Tulipatan. Zum Festessen werden den Feiernden Büchsen mit Hero-Ravioli serviert. Zum Anstossen gibt es süsse Sprite-Limonade statt Champagner. So kann man sich eine der letzten Szenen in der Operette «L’île de Tulipatan» von Jacques Offenbach vorstellen, wie sie das Zürcher Kammerorchester (ZKO) Ende Jahr plant.
Die Zeiten sind nicht die besten, man weiss es, die Kulturkassen sind leer, private Geldgeber klamm – da ist jede neue Idee willkommen. Beim ZKO hat man sich im Hinblick auf den Jahreswechsel für «aussergewöhnliche Werbeflächen» entschieden: «Innerhalb der beiden Kurz-Operetten ‹L’île de Tulipatan› und ‹Monsieur Choufleury› von Jacques Offenbach, dem wohl berühmtesten Operettenkomponisten, wird Ihr Produkt/Ihre Marke dem Publikum zum Greifen nahe präsentiert.»
Mit Product-Placement innerhalb der Opera Box wirbt die Geschäftsleitung des ZKO bei Geschäftspartnern und erhofft sich einen finanziellen Zustupf: Zum Dank nämlich werden deren Produkte in die Inszenierung eingebaut. Also Vögele-Klamotten für das Hochzeitspaar und ein paar Doc-Martens-Schuhe für den eitlen Herzog Cacatois XXII. – den Werbeideen sind keine Grenzen gesetzt.
Höchstens finanzielle. Das ZKO verlangt von Sponsoren 4000 Franken für eine «physische und gut sichtbare Präsenz auf der Bühne». Für den gleichen Preis kann man auch eine «namentliche Erwähnung im Stück» kaufen. Da singt dann Herzog Cacatois XXII. nicht mehr vom ersehnten Thronfolger, sondern von einem Subaru Vierradantrieb, zum Beispiel. Für 6000 Franken kann sich der Sponsor gar einen «markanten Einbau in der Handlung des Stücks» kaufen. So würde der Subaru nicht im Liedtext, sondern physisch auf der Bühne erscheinen.
Wäre Meister Offenbach beleidigt gewesen, dass seine Kunst mit Hero-Ravioli und Sprite durchsetzt wird? Wohl kaum: Wie man Offenbach auf den Abbildungen mit seinem verschmitzten Lächeln kennt, hätte er wahrscheinlich Freude daran. Schliesslich war der Ritter der Ehrenlegion ein Liebling des aufstrebenden Bürgertums im Zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. Und jenen französischen Bürgern war alles recht, was sich versilbern liess.
Genauso oder zumindest ähnlich scheint man beim Zürcher Kammerorchester gedacht zu haben: Laut PR-Manager Paul Martin Padrutt, der diese Sponsoringform propagiert, passt Werbung perfekt zu «Offenbachs frivolen Stücken – das ist ein Gag». Und der Pressesprecher des ZKO, Lukas Bernays, findet die Idee «unorthodox». Er ist aber gespannt auf die Reaktionen der potenziellen Kunden, die angeschrieben wurden.
Bleibt zu hoffen, dass das Publikum das Bühnensponsoring ebenso spielerisch sieht. Im Gegensatz zu den französischen Bürgern Mitte des 19. Jahrhunderts werden die heutigen Konzertbesucher im Alltag nämlich mit Werbung zugemüllt. Da könnte dem einen oder der andern ein Spot auf der Insel Tulipatan in den falschen Hals geraten, was nicht ganz im Sinn der Erfinder wäre.
ZKO Opera Box: Offenbach^2
Premiere: Sa, 28.12., 19.00
ZKO Opera Box Zürich