Ein Fischernetz, ein Rettungsring und andere maritime Fundstücke schmücken die Wände im Restaurant Schiff im Dreiländereck in Basel. In diesem Seemanns-Ambiente tranken seit den 20er-Jahren die Schiffer ihr Bier, bevor sie auf dem Rhein den Anker lichteten. Heute trifft sich hier etwa der Schweizer Seemanns-Chor störtebekers am Stammtisch. Auch der Schriftsteller Hansjörg Schneider, der seit Jahrzehnten in Basel und im Elsass lebt, liess sich hier in jungen Jahren anheuern und ist mit dem Schiff nach Rotterdam gefahren, wie er der Regisseurin Daniela Kranz erzählte. Der ideale Ort also, um Schneiders berühmten Kommissär Hunkeler, mit dem der Autor einiges gemeinsam hat, in ebendiesem Milieu anzusiedeln. Für eine der vier Folgen der Theaterserie wird das Publikum ins «Schiff» pilgern.
Mit Kopfhörern dabei
Die Serie basiert auf Hunkelers zweitem Fall, dem Krimi «Flattermann» von 1995. Der Kommissär beobachtet darin, wie ein alter Mann von der Johanniterbrücke ins Wasser stürzt. Ein Selbstmord? Hunkeler, der eigentlich Ferien hat, beginnt auf eigene Faust, in der Vergangenheit des über 80-jährigen Freddy Lerch zu graben – zum Ärger seines Arbeitskollegen Madörin, der den Fall bearbeitet. Der Kommissär findet heraus, dass Lerch in jungen Jahren als Matrose unterwegs war und es bis zum Chef Steward brachte. Zurück in der alten Heimat häuften sich aber die Probleme.
Die Basler und Elsässer Roman-Schauplätze beschreibt Schneider in einer Mischung aus Realität und Fiktion, gewisse Orte sind inzwischen der Gentrifizierung zum Opfer gefallen. Das denkmalgeschützte Restaurant Schiff kommt zwar nicht konkret im Roman vor, passt aber zur Story. Manchmal hilft die Regisseurin dem Original-Ambiente etwas nach – für die Tische im «Schiff» hat sie etwa extra «Aromat»-Menagen aufgetrieben. Hunkeler – gespielt von Schauspieler Andrea Bettini – bestellt sich hier das gutbürgerliche Menu und erfährt in Gesprächen mit Gästen mehr über den Toten. Das in der Gaststätte verteilte Publikum ist mit Kopfhörern ausgerüstet und live mit dabei, wenn Hunkeler ermittelt oder wenn die bärtigen Mitglieder des Seemanns-Chors ihre Lieder anstimmen. Und natürlich hat auch Hunkelers Gegenspieler Wachtmeister Madörin (Martin Hug) seinen Auftritt.
Authentische Sprache
Die restlichen Rollen sind besetzt mit Basler Laien-Schauspielerinnen und Schauspielern aus allen Altersklassen und Schichten. «Sie sind die Hauptstars der Theaterserie», sagt Kranz, die zusammen mit Intendant Andreas Beck das Theater Basel der breiten Bevölkerung öffnen will. Mit dem populären Kommissär und neuen Formen wie der Theaterserie soll auch das Publikum ins Theater gelockt werden, das sonst nicht in den Rängen sitzt.
Die Laien-Darsteller seien hochmotiviert und stellen sich den Unwägbarkeiten, welche die ungewöhnlichen Schauplätze mit sich bringen – darunter das historische Rheinbad St. Johann oder die alte Güterhalle beim Bahnhof St. Johann. An den Original-Orten proben kann das Theaterteam erst kurz vor der Premiere. Zurzeit wird noch an einer authentischen Sprache gefeilt: Jeder bringt seinen eigenen Dialekt ein. Trotz zahlreicher dramaturgischer Eingriffe versucht Kranz, «den Geist der Figuren» zu treffen, wie sie betont. Mit Hansjörg Schneider hat sie längere Gespräche geführt, um ihn und seinen berühmten Kommissär besser kennenzulernen. Die Melancholie, die den Krimi durchweht, und die persönlichen Bezüge des Autors sind ihr beim Lesen besonders aufgefallen. Dem will sie auch in ihrer Inszenierung Rechnung tragen. Der Autor lässt ihr dabei freie Hand.
Imaginäre Reisen
Bei einem Spaziergang durch den Hafen am Rhein entlang erzählt die deutsche Regisseurin, die in Wien zahlreiche Theaterserien produziert hat, wie sie wochenlang durch Basel gestreift ist nach der Suche für geeignete Kulissen, wie sie durch Gespräche mit Fremden Einblick in unbekannte Milieus erhalten hat. Ein tutendes Schiffshorn übertönt ihre Worte. Auf eine solche zufällige Geräuschkulisse hofft Kranz auch in ihrer Inszenierung. «Ein heranfahrender Dampfer oder eine Sanitäter-Sirene machen die besondere Atmosphäre aus», sagt sie und zeigt nach einigen Metern auf den Spielort der dritten Hunkeler-Folge: Auf der Dachterrasse des Ausstellungsgebäudes «Brasilea», das früher als Schiffswerk benutzt wurde, kann der Zuschauer den Blick über die Stadt, den Rhein und das Hafenbecken schweifen lassen und sich dabei auf imaginäre Reisen begeben – etwa in die Karibik, wohin Schneiders Protagonist Lerch mit dem Schiff fuhr.
Im Gegensatz zu anderen Spielorten ist auf der Dachterrasse das Wetter ein unsicherer Faktor – der spektakuläre Sonnenuntergang lässt sich nicht bestellen. «Aber bei einer solchen Theaterform muss man es aushalten, dass sich nicht alles kontrollieren lässt – das macht den Reiz aus», meint Kranz, welche die Serie mit sichtlichem Spass leitet.
Einsteigen können die Zuschauer übrigens auch bei einer späteren Folge. Wie bei einer Fernsehserie wird anfangs eine Zusammenfassung – «Was bisher geschah» – über die Bühne gehen. Und wenn die Theaterserie beim Basler Publikum Anklang findet, steht einer zweiten Staffel nichts im Wege.
Kommissär Hunkeler: Ein Fall für Basel
1. Folge: Mi, 6.4.–Fr, 8.4
2. Folge: Mi, 13.4.–Fr, 15.4.
3. Folge: Mi, 20.4.–Fr, 22.4.
4. Folge: Mi, 27.4.–Fr, 29.4.
Beginn um 19.00, die Spielorte werden beim Kauf der Karten bekannt gegeben.
www.theater-basel.ch
Science-Fantasy-Theaterserie
Eine weitere Serie geht im Theater Winkelwiese und im Tanzhaus Zürich über die Bühne. Autor Christoph Rath begibt sich in «Memetuum Plex» ins Reich der Science Fantasy. In der zweiten Staffel der preisgekrönten Serie ist Mantikor, der Menschenfresser, wieder erwacht und sucht seine Beute. Eine Forschergruppe begibt sich auf Monsterjagd – ihr Ziel ist es, den Aberglauben zu widerlegen.
Memetuum Plex Staffel 2 – Ontovore
Episode 1, «Das unheimliche Tal»: Bis So, 3.4., 20.00 Theater Winkelwiese
Episode 2, «Punkt ohne Wiederkehr»: Mi, 13.4.–Sa, 16.4., 20.00 Theater Winkelwiese
Episode 3, «Das Schiff des Theseus»: Do, 28.4.–Sa, 30.4., 20.00 Tanzhaus Zürich