Schweizer Literatur
Laura Vogt: So einfach war es also zu gehen (Edition Literatur Ostschweiz 2016)
Der erste Roman der jungen Autorin aus dem Appenzell handelt von zwei ungleichen Schwestern und einer Liebe zwischen Hamburg, Luzern und Kairo. Helen begegnet Khaled am Elbufer und folgt ihm in den Arabischen Frühling nach Ägypten. Sie ringt um seine Liebe und mit dem Erwachsenwerden. Doch mit ihrer grossen Schwester, die nichts essen will, reisen ihr auch die Erinnerungen an Kindheit und Familie nach. Ein beachtliches Debüt – tief, poetisch und vom ersten Satz an mitreissend. (ck)
Jörg Steiner: Im Sessel von Robert Walser. Kartenpost (Limmat 2016)
15 Jahre lang hat der Bieler Autor Jörg Steiner (1930–2013) mit der ihm freundschaftlich verbundenen Hanne Kulessa in Frankfurt korrespondiert. Er schrieb Karten mit wunderbar poetischen Miniaturen, Beobachtungen, Alltagsgeschichten, durchweht von Altersmelancholie. Eine Kartenpostsammlung ganz im Geiste von Robert Walser übrigens – Jörg Steiner war im Besitz des Sessels des anderen berühmten Bieler Autors. (hau)
Zora del Buono: Gotthard (C.H. Beck 2015)
Obwohl schon letztes Jahr erschienen, hat diese Novelle kaum an Aktualität verloren. Auf der Neat-Baustelle stehen letzte Arbeiten an. Die Züge fahren zwar noch regulär über die Gotthard-Bergstrecke, ziehen aber bereits nostalgisch verträumte Train-Spotter an. Wie den Berliner Fritz Bergundthal, der beim Fotografieren der Lokomotiven auf aufreizende Talbewohnerinnen und kurlige Gestalten trifft. Zora del Buono widmet dem mythisch verklärten Bergmassiv eine aberwitzig-verquere Geschichte. (fn)
Catalin Dorian Florescu: Der Mann, der das Glück bringt (C.H. Beck 2016)
In seinem opulenten Roman schlägt der schweizerisch-rumänische Autor einen Bogen von 1899 bis in die Gegenwart. Ray und Elena lernen sich 2001 in New York kennen und erzählen einander die Geschichte ihrer Vorfahren: von einer jungen Frau, die ihr Leben in einer Lepra-Kolonie im Donaudelta fristen muss, bis zum New Yorker Waisen-Jungen, der vom Star-Leben träumt. Geschickt verknüpft Florescu die Er-zählstränge und beschreibt die Glückssuche mit Sinnlichkeit und Poesie. (bc)
Internationale Literatur
David Foenkinos: Charlotte (DVA 2015)
«Charlotte» ist ein berührendes Buch. Es erzählt die bewegte und bewegende Lebensgeschichte der Künstlerin Charlotte Salomon, die mit 26 Jahren im KZ starb. Die Spuren, die sie mit ihrem Werk hinterlassen hat, sind beeindruckend, ebenso der Roman des französischen Autors David Foenkinos. Er schrieb ihn in Form eines in grosse Lebensblöcke gegliederten Prosagedichts. (sch)
Guntram Vesper: Frohburg (Schöffling 2016)
Der Titel dieses Grossromans von 1000 Seiten Umfang ist der Name einer sächsischen Kleinstadt, gleichzeitig Heimatort des 1941 geborenen Autors. In diesem Monumentalwerk betätigt sich Vesper als ausschweifender Chronist von Ereignissen, festgemacht an der eigenen Biografie. «Frohburg» ist Vespers Opus magnum – ein Panorama und Panoptikum der Zeit, in der Historisches und Privates verwoben werden. Ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse. (hau)
David Grossmann: Kommt ein Pferd in die Bar (Hanser 2016)
Netanja, eine Kleinstadt in Israel. Komödiant Dovele steht zum letzten Mal auf der Bühne. Sein Publikum schwankt zwischen Belustigung, Empörung und bitteren Tränen. Denn neben vielen Witzen erzählt Dovele die tragische Geschichte seiner Kindheit im Krieg. Schon mit 14 versuchte der Waisenjunge, einen Soldaten mit Witzen zu trösten: «Kommt ein Pferd in die Bar …» Autor und Friedensaktivist David Grossmann widmet sich in seinem neuen Roman der lebensspendenden Kraft des Humors. (ck)
Julian Barnes: Aus dem Fenster (Kiepenheuer & Witsch 2016)
Der englische Schriftsteller legt 17 Essays über Literatur und eine köstliche Kurzgeschichte vor – ein Bericht von einem Schreibseminar als Hommage an Ernest Hemingway. Julian Barnes belegt in dem Band, wie Literatur wahrhaftig sein kann, gerade weil sie sich nicht an Fakten halten muss. Und der Büchernarr schildert selbstironisch, wie er zur literarischen Fiktion fand – als neugieriger Halbwüchsiger mit «Satyricon» von Petrarch wegen der schlüpfrigen Szenen. (hü)
Leichte Kost
Homer Hickam: Albert muss nach Hause (HarperCollins 2016)
«Ich oder der Alligator»: Vor dieses Ultimatum stellt Homer seine Frau Elsie. Er hat genug vom possierlichen Haustier, das Elsie wie ein Hündchen folgt und sich von ihr den Bauch kraulen lässt – ihm selbst aber ans Fleisch will. Nach langem Überlegen willigt seine Frau ein, Alligator Albert in seine Heimat Florida zurückzubringen. Mit herrlich skurrilem Humor beschreibt der US-amerikanische Autor und Nasa-Ingenieur Homer Hickam den Roadtrip eines ungleichen Trios. (bc)
J. Paul Henderson: Letzter Bus nach Coffeeville (Diogenes 2016)
«Wir befreien eine alte Freundin von dir aus dem Altersheim, und dann hauen wir (...) ab? Das ist nicht dein Ernst, oder?» Und ob. Im Debütroman von J. Paul Henderson juckeln drei Alte mit einem Tourbus durch die USA. Dass sie ab und zu vergessen, warum und mit wem sie unterwegs sind, macht nichts. Was zählt, ist die Freundschaft. Eine berührend lustige Geschichte vom Leben und Vergessen. (ck)
Jeffrey Archer: Erbe und Schicksal (Heyne 2016)
Der dritte Band der fiktionalen Autobiografie des Autors: Der Zweite Weltkrieg ist beendet. Harry Clifton hat endlich zu seiner grossen Liebe Emma Barrington gefunden. Doch ein langer Schatten droht auf die jungen Menschen zu fallen. In einer dramatischen Verhandlung obliegt es dem Oberhaus festzulegen, ob ihm sein Vermögen zusteht. Eine neue Epoche voller Intrigen und Verrat, die bis in die hohe Politik führt. (hü)
Amélie Nothomb: Die Kunst, Champagner zu trinken (Diogenes 2016)
Mit der belgischen Autorin Amélie Nothomb einen Schwips antrinken und lustvoll dem Laster frönen: Im neuen, autobiografisch geprägten Roman ist die exzentrische Schreiberin in Champagnerlaune. Mit der jüngeren Schriftsteller-Kollegin Pétronille zieht Amélie um die Häuser in Paris oder London. Die junge Saufkumpanin kann der renommierten Schriftstellerin mit Witz das Wasser reichen. (bc)
Krimis/Thriller
Alfred Bodenheimer: Der Messias kommt nicht (Hanser 2016)
In seinem dritten Rabbi-Krimi verbindet der Basler Autor und Professor Alfred Bodenheimer wiederum religionsphilosophische Gedanken mit Unterhaltung und einem spannenden Einblick ins jüdisch-orthodoxe Milieu. Diesmal wird Rabbi Klein in einen Mordfall in der jüdischen Gemeinde in Basel verwickelt. Und obwohl der sympathische Geistliche im Sabbatical weilt, kann er das Ermitteln nicht lassen – und gerät in Teufels Küche. (bc)
Malla Nunn: Tal des Schweigens (Argument 2015)
Oktober 1953. Drakensberge, Südafrika. Sergeant Emmanuel Cooper und Zulu-Detective Shabalala sollen den Mord an einer schwarzen Schönheit aufklären, der Tochter des Zulu-Chiefs. Ihre Suche führt sie ins Herz der Apartheid. Sie kämpfen gegen Rassismus, Frauenunterdrückung und Hexerei.
Nunn besticht durch starke Charaktere, Lebensklugheit und Poesie. (eb)
Eva Gründel: Mörderküste (Haymon Verlag 2016)
Reiseführerin Elena aus Wien wollte ihrer Gruppe eigentlich den sorgenlosen sizilianischen Sommer präsentieren, doch dann durchkreuzt ein grausiger Fund ihre Pläne: Ein Mitglied der Reisegruppe liegt tot in den Ruinen eines Tempels. Elena packt das detektivische Fieber – und der bemerkenswerte Charme eines gewissen Commissarios. Ein heiterer Ferienkrimi aus dem Herzen Siziliens. (ck)
Don Winslow: Germany (Droemer 2016)
Privatdetektiv Frank Decker ist erneut auf einer Vermissten-Mission. Diesmal führt ihn sein Weg von Miami nach Europa, für hiesige Leser besonders reizvoll die Schauplätze in Deutschland: Berlin, München, Köln, Hamburg, Lüneburg. Autor Winslow fackelt nicht lange wie sein Held Decker. «Germany» ist ein harter Geradeaus-Thriller, der sich nicht gross mit Zwischentönen und Feinheiten aufhält. (hau)
Jugendliteratur
Lena Hach: Ich, Tessa und das Erbsengeheimnis (Ab 10 Jahren, Mixtvision 2016)
Paul will Detektiv werden und ist zufrieden, als im Nebenhaus ein Mädchen einzieht. So hat er eine neu zu observierende Zielperson. Tessa wirkt geheimnisvoll. Sie macht einen langen Umweg zur Schule, und sie zählt ständig. Paul notiert alles. Doch er bemerkt auch merkwürdige Veränderungen an sich selbst. So sehnt er den nächsten Schultag herbei und wird unkonzentriert, wenn Tessa in der Nähe ist. Eine stimmige Freundschaftsgeschichte. (bm)
Stefanie Höfler: Mein Sommer mit Mucks (Ab 12 Jahren, Beltz und Gelberg 2016)
Zonja lernt im Schwimmbad einen seltsamen Jungen kennen. Er ist dünn, gross, hat abstehende Ohren und kann nicht schwimmen. Zonja, sonst eine Einzelgängerin, spürt, dass ihn etwas belastet. Es dauert den ganzen Sommer, bis sie es erfährt und versteht, weshalb Mucks Angst vor dem Wasser hat. Trotz des schwierigen Themas stimmt das Ende zuversichtlich. (bm)
Marian de Smet: French Summer. A fucking great Road Trip (Ab 14 Jahren, Gerstenberg 2016)
Eppo steht mit seinem Rucksack am Strassenrand. Ein alter VW Golf hält an, und ein Mädchen mit kurzen grünlichen Haaren lässt ihn einsteigen. Tabby will nach Frankreich. Sie plappert ununterbrochen, Eppo möchte lieber nachdenken. Noch vor den Protagonisten ahnt der Leser, dass beide aus ähnlichen Motiven aufgebrochen sind. Ein Roadmovie mit Tiefgang. (bm)
Jan De Leeuw: Eisvogelsommer (Ab 14 Jahren, Gerstenberg 2016)
Der 15-jährige Thomas ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Da ihn seine Freundin, die Eltern und der Grossvater noch nicht loslassen können, weil ihre Herzen wie in der mythischen Erzählung vom Eisvogel gefroren sind, bleibt er präsent. Aus dem Off erzählt Thomas die Geschichte seiner ersten Liebe und seiner Familie. Poetischer Roman um grosse Fragen. (bm)
Sachbücher/Biografien
Tom Jones: Over The Top And Back (Heyne 2016)
Mit Songs wie «Delilah» oder «It’s Not Unusual» hat Tom Jones in den 1960er-Jahren die Hitparaden gestürmt. Der multistilistisch zwischen Pop, Soul und Funk agierende Sänger hielt sein Publikum während Jahrzehnten bei der Stange und feierte 1999 mit «Sex Bomb» einen Altershit. Nun sei es an der Zeit, Bilanz zu ziehen, findet der 76-jährige «Tiger von Wales» und präsentiert seine Autobiografie. (fn)
Françoise Giroud: Ich bin eine freie Frau (Zsolnay 2016)
Die französische Journalistin Françoise Giroud (1916– 2003) gründet 1953 gemeinsam mit ihrem Geliebten J.-J. Servan-Schreiber das Nachrichtenmagazin «L’Express». Als Schreiber sich von ihr trennt, bricht für Giroud die Welt zusammen. Sie übersteht einen Selbstmordversuch und bringt ihr Leben im Paris der 1960er zu Papier. Das Werk galt lange Zeit als verloren. (ck)
Christian Schmid: Da hast du den Salat (Cosmos 2016)
Der ehemalige MundartSpezialist von Radio SRF 1 («Schnabelweid») präsentiert «Geschichten zur Sprache und Kultur der Küche». Die Küche, das Kochen, das Essen – sie prägen zu einem schönen Teil das Idiom; inklusive Redensarten, die sich aus dem Küchenwortschatz speisen – «in Teufels Küche kommen», «den Löffel abgeben». Praktisch: mit exquisiten Kochrezepten. (hau)
Uwe Killing: Peter Falk oder Die Kunst, Columbo zu sein (Osburg Verlag 2016)
Der US-Schauspieler Peter Falk war nur vierte Wahl für die Produzenten der TV-Krimiserie «Columbo». Doch Falk war die perfekte Besetzung des leicht schlampigen Schlitzohrs mit dem zerknitterten Regenmantel. Sein deutscher Biograf Uwe Killing anerkennt in diesem Buch, dass der New Yorker mehr geben konnte als den schrulligen Ermittler. (hü)
Hörbücher
Mark Twain: Ist Shakespeare tot? (Roof Music 2016)
Der Schauspieler Leander Haussmann liest eine Kampfschrift des US-amerikanischen Satirikers Mark Twain. Dieser behauptete vor mehr als 100 Jahren, der englische Bühnenautor sei eine Fiktion. Er verglich ihn mit den damals seltenen Dinosaurierknochen, die so wenig über die einstigen Tiere aussagten wie die biografischen Details von Shakespeare über den Dichter. Twain hat dafür zwar keinen Beleg, aber er polemisiert derart witzig, dass dieser kurze Band bei 40 Grad Schatten ein grandioses Lesevergnügen ist. (hü)
Sasa Stanisic: Fallensteller (Hörverlag 2016)
Der aus Bosnien und Herzegowina stammende Autor, der deutsch schreibt, ist gefeierter Schöpfer von erzählerischen Zauberkunststücken. Hier liest er die Texte seines jüngsten Buches selber, als Live-Aufzeichnung vor Publikum, und kommentiert die Erzählungen vorab. Die Erläuterungen und die lebendigen Lesungen zeigen, wie einer mit «Lausbuben-Charme» («Süddeutsche Zeitung») ans Werk geht. (hau)
Karen Duve: Macht (Tacheles 2016)
Frauen sind an der Macht im Deutschland des Jahres 2031. Nicht nur dieser Umstand prägt Karen Duves wagemutigen Blick in die nahe Zukunft. Klima- und soziopolitisch zeichnet sie ein düsteres Bild, das sie aber ironisch durchbricht. Die Gedankenspiele der engagierten Autorin («Anständig essen») lesen sich anregend und unterhaltsam. Charly Hübner gibt der Hörfassung gehörig Drive. (fn)
Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit (Diogenes 2016)
Der junge Bestseller-Autor Benedict Wells erzählt in seinem Roman eine berührende Geschichte über drei Geschwister: Nach dem Unfalltod der Eltern müssen sie ihren eigenen Weg aus der Einsamkeit suchen. Der Ich-Erzähler Jules findet in seiner Klassenkameradin Alva eine Seelengefährtin. Schauspieler Robert Stadlober liest die melancholisch-humorvolle Liebes- und Familiengeschichte. (bc)