Professor Pfirsichow macht eine seltsame Entdeckung. Er stösst bei seinen Forschungsarbeiten zufällig auf einen himbeerfarbenen Lichtstrahl, der sämtliche Organismen blitzschnell und unkontrolliert wachsen lässt. So schlüpfen aus dem Laich von Fröschen innerhalb zweier Tage Kaulquappen, welche tags darauf zu katzengrossen, gefrässigen Fröschen heranwachsen, die sich rasant vermehren. Fast zeitgleich fällt eine Plage übers Land herein und tötet alle Hühner. Ersatz muss her, und zwar schnell! Und wie so oft, wenn es schnell gehen muss, passieren Fehler. Werden etwa Hühnereier mit Reptilieneiern vertauscht, endet dies fatal. Die groteske Katastrophe ist vorprogrammiert.
Überbordende Sprache
Dieses Frühwerk von Michail Bulgakow (1891–1940) besticht durch Wortwitz. Absurde Namen wie der des schrulligen Zoologieprofessors Pfirsichow oder des Genossen Federvich-Ferkel ziehen sich durch die Geschichte – als offensichtliche Hinweise auf die Charaktere der Protagonisten. So ist die Idee, die später ins Chaos und Verderben führt, auf dem Mist eines gewissen «Vluch» gewachsen. Bei dessen Einführung kommen Bulgakows Sprachspielereien zum Ausdruck: «‹Herr Professor, da kommt der Vluch.› Der Anflug eines Lächelns zeigte sich auf den Wangen des Wissenschaftlers. Er kniff seine Äuglein zusammen und sagte: ‹So, so, interessant. Leider bin ich beschäftigt.› ‹Die sagen, die kommen mit irgendwelchen Amtspapieren direkt aus dem Kreml.› ‹Aha, der Fluch mit den Papieren! Welch eine prächtige Kombination›, bemerkte Pfirsichow und fügte hinzu: ‹Also gut, hereinspaziert!›»
In «Der Meister und Margarita» übte Bulgakow furchtlose Kritik am sowjetischen System, dessen Bürokratie und Überwachung. Deshalb wurde sein Lebenswerk erst Jahrzehnte nach seinem Tod veröffentlicht. Zu Lebzeiten erschien 1924 der Kurzroman «Die verfluchten Eier», der grosse Fantast griff damals die Maschinerie von Wissenschaft, Medien und Religion an.
Todbringende Eier
So stehen Eier in der Ostergeschichte für die Wiedergeburt – hier sind sie eine faulige Gefahr und bringen den Tod. Auch diesmal lässt sich Bulgakow das unvermeidliche Wortspiel nicht nehmen: «Mr. Hughes, schielen Sie nicht nach unseren Eiern – haben sie etwa keine eigenen?»
Trotz oder gerade wegen seiner sprachlichen Mätzchen entwickelt der Kurzroman eine unglaubliche Dynamik: Mit rasanter, witziger und bissiger Schreibe bringt der Autor seine Sätze aufs Papier. Doch in erster Linie steht der Name des 1891 geborenen Schriftstellers für eine blühende Fantasie, die ihrer Zeit um Welten voraus war. «Die verfluchten Eier» kann als satirische Science-Fiction bezeichnet werden. Dem für seine Neuübersetzung von «Der Meister und Margarita» ausgezeichneten Alexander Nitzberg ist es wiederum trefflich gelungen, die knackigen Dialoge, sprachlichen Höhenflüge und Bulgakows unsäglichen Humor ins Deutsche zu portieren.
Da kann man sich als amüsierter Leser das Lachen nicht verkneifen, wenn das Land mit jeder absurden Wendung dem Unheil ein bisschen mehr entgegenschlittert.
Michail Bulgakow
«Die verfluchten Eier»
Aus dem Russischen neu übersetzt von Alexander Nitzberg
Erstausgabe: 1924
144 Seiten
(Galiani 214).