Mischa Damev - «Ein Werk ohne geeigneten Interpreten ist nichts wert»
Der bulgarische Musiker Mischa Damev ist Leiter der Migros Kulturprozent-Classics. Er erklärt, wie es ihm gelingt, immer wieder glamouröse Namen für Auftritte zu verpflichten.
Inhalt
Kulturtipp 21/2012
Christian Berzins
kulturtipp: Mischa Damev, subventionierte Sinfonieorchester gibt es in jeder grösseren Schweizer Stadt. Warum braucht es noch Migros-Kulturprozent-Classics?
Mischa Damev: Als ich die Migros-Kulturprozent-Classics vor fünf Jahren übernahm, war unklar, wohin es mit der Reihe gehen würde. Sicher war, dass ich etwas wagen wollte. Aber wenn sich zeigen sollte, dass sich das wirtschaftlich nicht lohnt und uns das Publikum nicht folgt, wäre ich der Ers...
kulturtipp: Mischa Damev, subventionierte Sinfonieorchester gibt es in jeder grösseren Schweizer Stadt. Warum braucht es noch Migros-Kulturprozent-Classics?
Mischa Damev: Als ich die Migros-Kulturprozent-Classics vor fünf Jahren übernahm, war unklar, wohin es mit der Reihe gehen würde. Sicher war, dass ich etwas wagen wollte. Aber wenn sich zeigen sollte, dass sich das wirtschaftlich nicht lohnt und uns das Publikum nicht folgt, wäre ich der Erste gewesen, der die Migros-Kulturprozent-Classics abgeschafft hätte. Ich ging mit einer wirtschaftlichen und künstlerischen Idee an die Arbeit. Man kann mit solchen Konzerten keinen Gewinn generieren. Aber es gilt, die Kosten so gut wie möglich durch Einnahmen zu senken. Das war künstlerisch wie betriebswirtschaftlich eine Herausforderung.
Und das Resultat?
Wir haben tolle Besucherzahlen, ja, wir weisen zum Teil Abonnenten zurück, da wir Platz für Junge wollen, die nun mal kein Abo kaufen. Die Migros-Kultur-prozent-Classics sind für alle Schichten gedacht, nicht nur für ein Publikum der über 65-Jährigen. Ich biedere mich bei den Jungen nicht an, wir haben keine Facebook-Seite: Aber die Jungen kommen, wenn auch manchmal erst im letzten Moment. Unsere Preise sind sehr moderat, im Abo liegen sie im Schnitt zwischen 20 und 69 Franken pro Abend. Dafür hört man das London Symphony Orchestra oder erlebt Zubin Mehta! Man muss nicht nach Luzern oder nach Gstaad, um weltberühmte Orchester zu hören. Das ist unsere Existenzberechtigung.
Der Name Migros ist viel präsenter als auch schon. Warum?
Die Rückbindung an das Migros-Kulturprozent sollte stärker gewährleistet sein als bisher. Als wir eine Umfrage machten, wussten viele Abonnentinnen und Abonnenten nicht, dass die Migros hinter den Konzerten steckt. Obs ein Scherz war oder nicht: Bei Umfragen schrieben tatsächlich 10 Prozent, Coop stehe dahinter. Wir hatten das Understatement auf die Spitze getrieben.
Fakt ist: Die Migros-Kulturprozent-Classics sind spektakulärer geworden. Wo früher Orchester aus Brünn oder Lyon auftraten, spielen nun weltberühmte Orchester aus London oder Paris, oft dirigiert von Stars. Haben Sie mehr Geld zur Verfügung als Ihr Vorgänger?
Mein Vorgänger betonte, dass nicht der Interpret im Vordergrund stehe, sondern das Werk. Ich aber komme von der Interpretenseite: Ein Werk ohne geeigneten Interpreten ist nichts wert – und umgekehrt. Gehe ich doch einmal vom Werk aus, suche ich die bestmöglichsten Interpreten.
Aber auch wenn Zubin Mehta etwas wünschen darf, wird seine Gage nicht kleiner …
Nein, aber sie ist bezahlbar, ich halte das im Rahmen. Sie wären erstaunt wie gut. Heute kann man im Unterschied zu früher mit jedem Künstler über Gagen sprechen. Meine Trümpfe sind, dass es bisweilen vier oder sogar fünf Konzerte in schönen Schweizer Sälen sind. Kommt hinzu, dass wir viele dieser Tourneen direkt und nicht über Agenturen planen, so haben wir eine andere Verhandlungsbasis.
Grosse Orchester schön und gut, aber warum braucht Ihre Reihe auch noch ein Solistenkonzert von Anne-Sophie Mutter oder einen Abend mit Jessye Norman?
Was heisst schon braucht? Wenn Sie auf 50 Jahre zurückschauen, dann sehen Sie immer grosse Namen, Karajan war öfters hier, die Wiener und Berliner Philharmoniker waren hier.
Jetzt aber nicht mehr.
Wer sie hören will, kann das ja hier in Zürich zu enorm erhöhten Preisen oder in Luzern im Sommer. Ich will die Berliner nicht über mein Publikum finanzieren. Die sind toll, aber der Preis übersteigt die Gagen der Boston Symphony oder London Philharmonic bei Weitem. Und es soll keine Überschneidungen mit dem Lucerne Festival geben. Unser höchster Kartenpreis liegt in Luzern bei 150 Franken. Dafür gibts diese Saison die Münchner Philharmoniker.
Mischa Damev
Mischa Damev schloss 1986 sein Klavierstudium in Basel ab. Auf Anraten von Mariss Jansons brach der bulgarische Musiker 1991 seine Karriere als Konzertpianist ab, um sich dem Dirigentenstudium zu widmen. 1990–1999 war er künstlerischer Leiter des Internationalen Orpheum Festivals in Zürich. 2006 wechselte er in die Privatwirtschaft und leitete das Unternehmerforum Lilienberg in Ermatingen TG. 2007 wurde Damev zum Leiter Musik der Direktion Kultur und Soziales des Migros-Genossenschafts-Bundes ernannt. Der 49-Jährige ist Intendant der Tournee-Konzertreihe Migros-Kulturprozent-Classics.