Wenn Miriam Maertens von ihren aktuellen Stücken erzählt, springt der Begeisterungsfunke über. Am liebsten würde man sich gleich ins Theater setzen und zusehen, wie sie in «Endstation Sehnsucht» Tom-Waits-Songs singt. Oder wie sie im Georg-Kreisler-Abend «Ausschliesslich Inländer» Nikolaus Habjans Klappmaulpuppen zum Leben erweckt. «Dieser Liederabend ist eines meiner absoluten Lieblingsstücke aus den letzten 14 Jahren», sagt die Schauspielerin bei einem Treffen in einem Café, während ihr Labrador Karenin friedlich unter dem Tisch schlummert.
Die beiden kommen gerade aus den Proben zur neuesten Produktion «Totart Tatort». «Herbert Fritsch ist ein ungeheuer fantasievoller Meister, der aus dem Nichts Magie kreiert», schwärmt sie. Das Ensemblestück nimmt sich dem «Tatort» an, zerstückelt die Krimiserie in ihre Einzelteile und bringt sie mit viel Sprachlust und Wahnwitz in komplett anderer Form auf die Bühne.
Eine unbändige Spiellust
hat die Hamburgerin, die aus einer bekannten Theaterfamilie stammt, schon immer verspürt. Dass sie sich ihren Lebenstraum verwirklichen konnte, ist dennoch nicht selbstverständlich: Sie wurde mit der Krankheit Cystische Fibrose geboren, die etwa die Lunge schwer beeinträchtigt. Gelebt hat sie aber stets so, als ob alles möglich wäre. «Ich habe die Krankheit einfach weggeblendet», sagt sie. «Ich habe nicht gehadert, sondern wie bei einem Hürdenlauf auf das nächste Ziel hingearbeitet.» Mit Willenskraft und der Unterstützung ihrer Familie hat sie fast Unmögliches geschafft, auch privat: Entgegen aller ärztlichen Ratschläge ist sie Mutter eines inzwischen 17-jährigen Sohnes geworden.
Jahrelang hat sie im Schauspielensemble ein Doppelleben geführt. Fast niemand wusste von der Krankheit, von ihrem Ringen nach Luft. Beim Stück «FaustIn and out» kam sie 2012 an ihre Grenzen: «Das war auf Messers Schneide. Ich wollte diese tolle Rolle spielen, obwohl der Körper sagte: Hör auf.» Es wurde ihr letztes Stück vor der dringend nötigen Lungentransplantation.
Noch immer staunt sie, wozu ihr Körper mit der neuen Lunge fähig ist: «Ich bin auf einmal in einem anderen Leben.» Und auch das Versteckspiel hat ein Ende: Mit ihrem kürzlich erschienenen Buch «Verschieben wir es auf morgen» hat sie ihre Krankheit öffentlich gemacht, um Betroffenen ihre Erfahrungen weiterzugeben. Mit dem Intendantenwechsel im Schauspielhaus steht nun nochmals ein neuer Lebensabschnitt an: Sie wechselt ins Schauspiel Hannover. Freiwillig zwar, aber «schweren Herzens» verlässt sie Zürich. «In meinem Beruf ist es wichtig, sich immer wieder neu zu definieren.» Und mit Herausforderungen kennt sich die lebensfreudige Kämpferin ja aus.
Aufführungen/Lesung im Schauspielhaus Zürich
Totart Tatort
Premiere: Fr, 22.2., 20.00
Ausschliesslich Inländer
Bis Do, 21.3.
Endstation Sehnsucht
Bis So, 24.3.
Musikalische Lesung aus «Verschieben wir es auf morgen»
Mi, 27.2., 19.30
Miriam Maertens Kulturtipps
CD
Musicbanda Franui: Ständchen der Dinge
(Col legno 2018)
«Franui sind die Besten: Die Tiroler Musikerinnen und Musiker haben mich schon in unserem Stück ‹Ausschliesslich Inländer› begeistert.»
FILM
Capharnaum – Stadt der Hoffnung (2018)
«Der Film von Regisseurin Nadine Labaki spielt in Beirut – beeindruckend lebensstark.»
NETFLIX-SERIE
The Killing (2011–2017)
«Diese Serie hat mich nicht mehr losgelassen: Ich habe sie jeweils bis morgens um 5 durchgeguckt. Joel Kinnaman brilliert als Ermittler Holder.»