Miniserie: Die Spaltung nach dem Rechtsrutsch
Der vierteilige ZDF-Spielfilm «Deutscher» stellt sich die Frage, was wäre, wenn eine Rechtspartei im Land die absolute Mehrheit erlangen und die Regierung stellen würde. Und wie sich das im Alltag auswirkt.
Inhalt
Kulturtipp 10/2020
Urs Hangartner
Eine nicht näher bezeichnete Stadt in Deutschland. Zeit: nahe Zukunft. Soeben haben die Rechten die Wahlen gewonnen, eine Rechtspartei stellt die Regierung. Es sei «das Ende einer Ära, eine Zäsur», heisst es in den Nachrichten. Der Name der Partei fällt nie. Auch Politiker sieht man nicht, man vernimmt lediglich da und dort ihre Stimme, wenn der Fernseher läuft. Einmal zeigt die Kamera kurz ein Plakat: «Autofahrer an die Macht. Zurück zum Diesel...
Eine nicht näher bezeichnete Stadt in Deutschland. Zeit: nahe Zukunft. Soeben haben die Rechten die Wahlen gewonnen, eine Rechtspartei stellt die Regierung. Es sei «das Ende einer Ära, eine Zäsur», heisst es in den Nachrichten. Der Name der Partei fällt nie. Auch Politiker sieht man nicht, man vernimmt lediglich da und dort ihre Stimme, wenn der Fernseher läuft. Einmal zeigt die Kamera kurz ein Plakat: «Autofahrer an die Macht. Zurück zum Diesel.»
Gegensätzlich denkende Nachbarsfamilien
Der im TV-Vierteiler «Deutscher» thematisierte Rechts-rutsch stellt ein zwar fiktives, aber durchaus denkbares Szenario dar. «Was wäre, wenn?» – das war die Ausgangsfrage für Stefan Rogall, den Autor des Films. Wenn eine rechtspopulistische Partei die absolute Mehrheit erreichen würde, wie erleben die Menschen dann die politischen Veränderungen? Wie zeigt es sich in ihrem Verhalten? Rogall hat die Erzählperspektive auf die Erfahrungswelt des durchschnittlichen Fernsehpublikums gerichtet und nicht in den Gefilden der politischen Macht angesiedelt. Es ging ihm darum, «das Grosse im Kleinen zu erzählen und am Beispiel zweier befreundeter, aber politisch gegensätzlich denkender Nachbarsfamilien zu veranschaulichen, wie sich eine rechtspopulistische Machtübernahme auf unseren Alltag auswirkt».
Konkret zeigt sich dies an den beiden Ein-Kind-Familien Schneider und Pielcke. Sie wohnen Haus an Haus in einer putzigen Vorstadtsiedlung. Die Söhne David und Marvin sind beste Freunde – noch. Christoph Schneider ist ein fortschrittlich denkender Mittelschullehrer, der sich dagegen wehrt, dass die duckmäuserische Rektorin eine Trennung der Klassen in «rein deutsche» und «muslimische» befürwortet. Frank Pielcke ist selbständiger Sanitärmonteur und hat «Kanake» in seinem Wortschatz.
Türkischer Imbiss wird zum «Schnitzelparadies»
Die Spaltung der Gesellschaft geschieht schleichend. Nicht nur geistige Brandstifter regen sich – es geht ganz handfest bis zum fremdenfeindlich motivierten Brandanschlag auf die Imbissbude «Burger & More» der türkischstämmigen Familie. Monate später wird der rechte Immobilientycoon Kellenburg dort das Schild «Schnitzelparadies» anbringen. Es kommt zu weiteren Eskalationen. Dramatische Ereignisse lassen die Schneiders und die Pielckes einander wieder näherkommen – bei allem unterschiedlichen Denken. Denn es gibt sie: die Beispiele von Zivilcourage und von Hoffnung, dass trotz allem ein Miteinander möglich sein kann.
ZDF Info zeigt am ersten Ausstrahlungstag am 28. April im Anschluss an die erste Doppelfolge vier begleitende Dokumentationen zu Themen wie Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. «Deutscher» ist bereits ab 25. April in der ZDF Mediathek verfügbar. Hier werden ab 28. April weitere Dokumentationen bereitgestellt.
Deutscher (1–4/4)
Regie: Simon Ostermann, Sophie Linnenbaum
Di/Mi, 28.4./29.4., 20.15 ZDF Neo Je zwei Doppelfolgen
ZDF Mediathek ab Sa, 25.4.
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