Millionenschweres Kunstvermächtnis
Die Holländerin Johanna van Gogh-Bonger erkennt nach dem Tod ihres Schwagers Vincent van Gogh den künstlerischen Wert seiner Bilder. Der argentinische Autor Camilo Sanchez erzählt ihre Geschichte in seinem ersten Buch «Die Witwe der Brüder van Gogh».
Inhalt
Kulturtipp 19/2014
Letzte Aktualisierung:
03.09.2014
Rolf Hürzeler
Vincent von Gogh wollte die düsteren «Kartoffelesser» in Gold gefasst sehen: «Auf einem dunklen Grund kommt es nicht zur Geltung und besonders nicht gegen einen fahlen Fonds, weil es ein Blick in ein graues Interieur ist.» Das schrieb van Gogh seinem Bruder Theo in einem Brief, den die junge Johanna van Gogh-Bonger entdeckte. Sie sollte ihrem verstorbenen Schwager den Wunsch erfüllen. Das ist eine Episode aus der neuen, fiktiven Biografie «Die Witwe der...
Vincent von Gogh wollte die düsteren «Kartoffelesser» in Gold gefasst sehen: «Auf einem dunklen Grund kommt es nicht zur Geltung und besonders nicht gegen einen fahlen Fonds, weil es ein Blick in ein graues Interieur ist.» Das schrieb van Gogh seinem Bruder Theo in einem Brief, den die junge Johanna van Gogh-Bonger entdeckte. Sie sollte ihrem verstorbenen Schwager den Wunsch erfüllen. Das ist eine Episode aus der neuen, fiktiven Biografie «Die Witwe der Brüder van Gogh», die der argentinische Schriftsteller Camilo Sanchez schrieb. Der in Europa nahezu unbekannte Autor ist in seiner Heimat vor allem als Lyriker hervorgetreten.
Mit 29 Jahren war die junge Johanna alleinstehende Witwe mit einem Kind. Kurz zuvor nahm sich ihr Schwager Vincent das Leben; ihr Ehemann Theo verfiel daraufhin in eine tiefe Depression, die ebenfalls mit seinem Tod endete. Johanna war mittellos, sie bekam lediglich etwas Unterstützung von ihrem Vater. Aber sie war im Besitz des gesamten Werks von Vincent van Gogh, das zu jener Zeit lediglich den Zuspruch einiger avantgardistischer Kritiker fand. Heute einer der teuersten Künstler überhaupt, war van Gogh zu seiner Zeit nahezu unbekannt –sein Kunst- und vor allem sein Farbverständnis waren der Zeit zu sehr voraus. Und Johanna war gewieft: Sie behielt Schlüsselwerke wohlweislich zurück, um den Preis für die Werke möglichst hochzuschrauben.
Sanchez erzählt die Geschichte der jungen Frau als eine Art Entwicklungsroman. Zuerst war Johanna in ihrer Lebenslage als Witwe überfordert. Doch sie war eine Einzelkämpferin, eine die nicht unterzukriegen war. Sie setzte sich unermüdlich für die Kunst ihres Schwagers ein, bei Kritikern und Galeristen.
Die biografische Pointe der Geschichte kommt auf der letzten Seite, als Johanna Bilanz zieht: «Gerade einmal vier aufeinanderfolgende Tage sowie einen einzelnen Sonntag hat sie in Gesellschaft des Bruders ihres Mannes zugebracht. Und trotzdem war er bei Tag und bei Nacht in ihrem Leben anwesend.» So sieht Schicksal aus.
Camilo Sanchez
«Die Witwe
der Brüder van Gogh» 180 Seiten
(Unionsverlag 2014).