Michael Zisman - Junger Meister am Bandoneón
Der Musiker Michael Zisman ist Pionier auf einem geschichtsträchtigen Instrument. Er spielt mit seinem Bandoneón Tango und Jazz.
Inhalt
Kulturtipp 12/2012
Frank von Niederhäusern
Er gastiert in kleinen Clubs, spielt an Jazzfestivals oder als Solist mit Sinfonieorchestern. Auf welcher Bühne Michael Zisman auch sitzt: Wenn der anmutige Berner sein Bandoneón in die unglaubliche Länge zieht und dann sachte wieder zusammenschiebt, staunen selbst Musikkenner ob der virtuosen Handhabung dieser dreibalgigen «Handorgel».
Zisman (29) beherrscht das Bandoneón wie kaum einer seiner Generation in Europa. Als Meisterinterpret der Werke...
Er gastiert in kleinen Clubs, spielt an Jazzfestivals oder als Solist mit Sinfonieorchestern. Auf welcher Bühne Michael Zisman auch sitzt: Wenn der anmutige Berner sein Bandoneón in die unglaubliche Länge zieht und dann sachte wieder zusammenschiebt, staunen selbst Musikkenner ob der virtuosen Handhabung dieser dreibalgigen «Handorgel».
Zisman (29) beherrscht das Bandoneón wie kaum einer seiner Generation in Europa. Als Meisterinterpret der Werke von Tangoerneuerer Astor Piazzolla (1921–1992) soliert er weltweit mit Sinfonieorchestern. «Piazzolla war ein revolutionärer Musiker», sagt er dem kulturtipp. Dies könnte man auch von Zisman selbst sagen, der sich nicht mit der Bewahrung der Tangotradition zufrieden gibt, sondern auch als Jazzmusiker Aufsehen erregt.
Die ferne Heimat
Nach seinen Studien beim Meister-Bandoneónisten Nestor Marconi in Buenos Aires absolvierte er die Swiss Jazz School in Bern. «Meine Musik steht im Zeichen der Vielseitigkeit», betont er und beruft sich auf Piazzolla. «Seine Philosophie, stilistische Grenzen zu verbinden, sind die Basis meiner Arbeit.» Dennoch: «Jazz war für mich vor dem Tango da.»
Wie das? Zisman gab sein Bühnendebüt als Tangospieler mit elf (!) Jahren. «Den Jazz entdeckte ich vorher», sagt er lakonisch. «Mit vier, und ich wollte ursprünglich Schlagzeuger werden. Doch mit sieben packte mich die Begeisterung für meine ferne Heimat und alles Argentinische: den Fussballer Maradona, den Brotaufstrich Dulce de Leche – und den Tango.»
Michael Zisman ist in Bern geboren. Sein Vater Daniel ist Argentinier, ein gefragter Tangoviolonist und -komponist. Heute spielt er oft mit seinem Sohn, was dessen emotionaler Musik eine berührende Tiefe gibt. Zumal Vater Zisman eng mit Astor Piazzolla befreundet war.
Michael Zisman kann prompt mit einer filmreifen Kindheitsepisode aufwarten: «Piazzolla gastierte bei uns in Bern, als ich anderthalbjährig war. Er soll mich im Arm gehalten haben, und angeblich habe ich ihm den Tee ans Klavier gebracht, als er am Komponieren war.»
Wegbegleiter Piazzola
Filmreif ist auch dies: Just am 4. Juli 1992, als Piazzolla starb, erhielt Michael in Bern ein Geschenk, das ihm sein Grossvater aus Buenos Aires mitgebracht hatte – sein erstes eigenes Bandoneón. Zismans filmreife Karriere hält an. Er gibt Konzert um Konzert und spielt CD um CD ein. Solche mit Stars wie dem Saxer Paquito D’Rivera und solche mit eigenen Bands.
Dieser Tage ist er gleich mehrfach zu hören: Am Theater Chur spielt er in Piazzollas Tango-Operita «María de Buenos Aires». In Zürich tritt er mit Kammerorchester und Chor auf, um moderne Kompositionen zwischen Tango und Kirchenmusik zu spielen. In Bern gibt er eines seiner legendären Solokonzerte. «Manchmal wird es fast zu viel», gesteht er. Künftig will er den Fokus auf eigene Projekte legen.
[CD]
Michael Zisman
676 Nuevotango
Ensemble
Mi bandoneón – un homenaje
(Zytglogge 2008).
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[CD]
Heiri Känzig Quintet
Buenos Aires
(Neuklang 2009).
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