«MELANCHOLIA» Unabwendbare Apokalypse
Eine Hochzeit mit Hindernissen, depressive Menschen und die ganze Welt, die durch eine Planeten-Kollision dem Ende entgegensieht: Lars von Trier legt mit «Melancholia» eine eigenwillig-existenzielle Untergangsvision vor.
Inhalt
Kulturtipp 23/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Am Anfang geben bewegte und stehende Bilder eine Vorahnung des Schreckens: Das Gesicht von Kirsten Dunst als Justine ist in Grossaufnahme zu sehen und Vögel fallen vom Himmel. Justine stapft im Hochzeitskleid durch waldiges Gelände; aus ihren Fingern züngeln Elektro-Flammen; Justine liegt märchenhaft in einem Seerosenteich. Es sind tableauartige Traumbilder, begleitet von den Klängen aus der Ouvertüre von Richard Wagners «Tristan und Isolde». Rom...
Am Anfang geben bewegte und stehende Bilder eine Vorahnung des Schreckens: Das Gesicht von Kirsten Dunst als Justine ist in Grossaufnahme zu sehen und Vögel fallen vom Himmel. Justine stapft im Hochzeitskleid durch waldiges Gelände; aus ihren Fingern züngeln Elektro-Flammen; Justine liegt märchenhaft in einem Seerosenteich. Es sind tableauartige Traumbilder, begleitet von den Klängen aus der Ouvertüre von Richard Wagners «Tristan und Isolde». Romantisches Pathos, welches das kommende Unheil vorausnimmt.
Das Hochzeitspaar trifft zu spät ein, weil die Stretchlimousine nicht durch die engen Kurven kommt. Den Rest des Weges zum schlossähnlichen Landhaus gehen Justine und Michael (Alexander Skarsgård) zu Fuss. Die beiden werden von der Hochzeitsgesellschaft längst erwartet, darunter der peinlich machistische Vater Dexter (John Hurt), seine Ex-Frau, Justines Mutter, Gaby, die sich nicht angemessen benimmt (Charlotte Rampling), ein genervter Hochzeitsplaner (Udo Kier). Schwager John (Kiefer Sutherland), der einmal betont, wie teuer ihn diese Hochzeit auf seinem protzigen Anwesen zu stehen kommt, ermahnt seine Schwägerin, die sich zurückzieht und den Fest-Ritualen verweigert: «Sei verdammt noch mal glücklich!» Im Morgengrauen verlässt der frischgebackene Ehemann seine Braut.
Der zweite Teil («Claire») bewegt sich langsam, aber sicher auf die grosse, ultimative Katastrophe zu. Claire (Charlotte Gainsbourg) holt ihre Schwester zurück, um ihr psychisches Leid etwas lindern zu helfen. Man reitet am Morgen früh gemeinsam aus – durch das neblige Umland. Justine lässt das eigens für sie zur Aufmunterung zubereitete Lieblingsessen (Hackbraten) stehen: «Es schmeckt wie Asche.»
«Die Erde ist böse»
Justine äussert Ahnungsvolles: «Die Erde ist böse. Wir müssen uns nicht um sie sorgen. Niemand wird sie vermissen.» Und: «Wir sind allein. Leben gibt es nur auf der Erde, und nicht mehr lange.» Sie wird recht behalten. Unausweichlich steuert der Planet Melancholia, ganz entgegen der Prognosen, im Kollisionskurs auf die Erde zu. Der zehnmal grössere Planet nähert sich mit 100 000 Stundenkilometern – die Apokalypse ist unabwendbar. Justine, Claire und deren kleiner Sohn Leo erwarten den Untergang in einer «Zauberhöhle».
«Ein wunderschöner Film über das Ende der Welt»: Das hat sich Regisseur und Drehbuchautor Lars von Trier zu «Melancholia» notiert. Es ist schön und schrecklich, und interpretierbar wäre der Film auch als einer mit Happy End. Denn für Justine bedeutet das Ende von allem eine Art Erlösung. Es befreit sie von ihren Seelennöten.
Die Hauptdarstellerin Kirsten Dunst, die sich zu ihren privaten Depressionen bekannte, weiss, was sie spielt. Da ist dieser traurig-leere Blick unter anderem, der es glaubwürdig macht. Aus der Schwermut spricht letztlich auch in sich ruhende Abgeklärtheit. In Cannes erhielt Kirsten Dunst dafür den Preis für die beste Schauspielerin.