Von totaler Überwachung zur künstlichen Intelligenz: Bei neuester Technik ist der Grat zwischen Dystopie und Heilsbringern schmal. Dieses Feld nur Grosskonzernen zu überlassen, kommt für Christian Iseli nicht infrage. Der ZHdK-Professor leitet die Film-Forschung an der Zürcher Hochschule der Künste und ist verantwortlich für den «Immersive Arts Space» (IA Space), einen interdisziplinären Raum, der Technologie, Kunst und Design zusammenbringt. «Wir müssen die Auseinandersetzung mit neuester Technik wagen, künstlerische Forschung und Reflexion in diesem Gebiet sind wichtig – auch um Gefahren aufzuzeigen», sagt Iseli über seine Ziele. Digitale Innovation im Bereich Kunst und Design sollten nicht nur Google und Co. überlassen werden.
Schöpfung von neuer Ästhetik
Kritische Reflexion leistet man an der ZHdK etwa mit der Konferenz Refresh #2. Forscher, Kunstschaffende und Experten loten aktuellste Entwicklungen in den Künsten aus und stellen Zukunftsexperimente an. In Ausstellungen, Workshops, Vorträgen und Performances verlassen sie bekanntes Terrain, nutzen Virtual Reality, selbst gebaute Gerätschaften oder Game-Elemente, um auszubrechen. «Immersive» Abenteuer lassen Zuschauer in andere Realitäten tauchen und kommen oft hoch ästhetisch daher. «Dancing Digital» etwa, eine Performance, die Tanz-Studenten über vier Tage mit einem Choreografen, einer Bühnenbildnerin und dem visuellen Künstler Tobias Gremmler entwickeln. Spezielle Markierungen am Körper der Tanzenden werden dabei von Kameras erfasst und am Computer in virtuelle Charaktere umgewandelt. So tanzen mal Studentinnen und Studenten, mal projizierte Figuren, mal beide zugleich.
Gremmler, der die abstrakten Charaktere geschaffen hat, ist ein Tausendsassa. 1970 in München geboren, lebt der Autor, Musiker und Designer heute in Hongkong und unterrichtet weltweit Medienkunst. Daneben arbeitet er für Apple, Sony oder für die isländische Sängerin Björk, deren Gesicht er in Musikvideos wie auf einem psychedelischen Trip wahnwitzig verzerrt.
Heiteres und Dunkles erlebbar gemacht
Eigenwillig und von poetischer Schönheit sind Tobias Gremmlers Figuren. Die Performance damit bleibt ein Experiment, wie Iseli sagt: «Das Publikum bekommt einen in Kürze erarbeiteten Prototyp zu sehen und kein perfektionistisches Endprodukt.»
Auch andere Werke, die an der Konferenz Refresh #2 zu erkunden sind, werden nicht pfannenfertig serviert. Vielmehr gilt es, sich einzubringen und zu erkunden. Sei dies, wenn mit Fabio Hendry aus heissen Drähten eine Skulptur geformt wird oder man mit VR-Brille eine interaktive Version von Fallujah erkundet. «Home After War» von Gayatri Parameswaran ist ein eindrückliches Beispiel für immersiven Journalismus und macht die Rückkehr in die vom IS befreite Stadt erlebbar. Eine Stadt, in der Minen Dutzende Rückkehrer töteten. Brutal und aufwühlend ist das. Ein Glück, wird auch Heiteres thematisiert – von 3D-Räumen über materielle Kunst bis zu Echtzeit-Avataren.
Refresh #2 – Experimental Futures and Immersive Experiences
Do, 26.9.–Sa, 28.9.
Performance «Dancing Digital»
Do, 26.9., 19.00 Zürcher Hochschule der Künste, Immersive Arts Space Zürich
Alle Veranstaltungen sind kostenlos, auf der Website können Tickets gebucht werden.
https://refresh.zhdk.ch