Wer kauft, gibt Geld für Ware. Wer Arbeit leistet, wird entlöhnt, bekommt Lohn, Entgelt, Gehalt, Heuer, Honorar, Sold, Salär, Pinke, Knete, Kohle, Stutz. Der Bonus passt irgendwie nicht in die Reihe. Entlöhnung war nicht immer Geld. Sold und Salär haben den Wortursprung in einer besonderen Währung, dem Salz. Salär meint «Salzration für Beamte und Soldaten». So steht es im «Deutschen Universalwörterbuch«. «Geld» kommt von «gelten», «wert sein». Es gibt sauberes Geld und schmutziges Geld. Wobei Dreck und Sauberkeit keineswegs das Geld meint, sondern den handelnden Händler.
Kein Geld im Paradies
DOMINE CONSERVA NOS IN PACE. Denkspruch auf der Rückseite einer Goldmünze von 1726. Zur Schau gestellt ist sie im Money Museum in Zürich. Auf die Goldmünze geprägt ein Gebet: HERR, ERHALTE UNS IN FRIEDEN. Dieser in Gold gegossene Bittruf an den Allmächtigen hat mit dem Bedenken zu tun, es könnte zwischen Geld und Friedensbedrohung einen Zusammenhang geben. Der Herrgott hat beim Paradiesmachen nicht ans Geld gedacht. Paradies braucht kein Geld. Ist ja alles da. In der Schöpfungsgeschichte macht der Herr als Krönung den Menschen und siedelt ihn im Garten Eden an. Das ist eine Sehnsuchtsgeschichte aus dem Nichtparadies. Im Paradies kam dann die Sache mit der Versuchung, es mit dem Kreator aufzunehmen. Die Menschen vergriffen sich am Baum der Erkenntnis. Der Herr sandte den Engel mit dem flammenden Schwert und vertrieb die Kinder Gottes aus dem Paradies auf die Erde. «Chunsch de schono äinisch uf d Wält.» Schweizerdeutscher Droh- und Warnsatz. Um die Partnerschaft der Geschöpfe mit dem Schöpfer war es geschehen. Die Menschen mussten selber kreativ werden. Die Münzgiesser setzten das Bittgebet auf die Staatsmünzen, wohl wissend, dass den Geschöpfen nicht in allen Dingen zu trauen ist. DOMINE CONSERVA NOS IN PACE. Einmal dann haben die Zürcher Münzherren den Lieben Gott aus dem Spiel genommen, haben ihn ersetzt durch JUSTITIA ET CONCORDIA und so den aufgeklärten Menschen in die Verantwortung genommen mit dem mahnenden Leitspruch GERECHTIGKEIT UND EINTRACHT. Ein zu allen Zeiten bedenkenswertes Wortpaar. In beiden Richtungen zu lesen.
Geld, gedacht als Gegenwert für Ware, Gut und Leistung, hat mutiert zu undurchschaubaren monetären Grössen. Geld wird um des Geldes wegen gehandelt, verdunstet unsichtbar ins Virtuelle. Scheinleistungen ohne durchschaubaren Gegenwert werden bonifiziert. Die handelnden Hände tätigen mit leichtfingerigem Tastentippen die Handlung, vertrauend, der Rechner werde es richten. JUSTITIA ET CONCORDIA sind wie aus dem Handlungssinn verschwunden. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, schreckt ein Desaster. Sturz der Sterne. Börsenhändler starren auf Bildschirme, greifen sich an die Köpfe, wie um das Denken zu sichern. Den Mündern der Menschen vor den Bildschirmen mit der unfrohen Botschaft drauf entfährt der Notruf O GOOD GOD. Das Bild geht um die Welt. Mit diesem Stossgebet wären wir wieder angekommen beim Bittgebet DOMINE CONSERVA NOS IN PACE.
Zeitbild aus dem 21. Jahrhundert
«Steuern sinken.» Ein wie simpler Titel zum Zeitungsbericht über eine Gemeindeversammlung in Unterägeri, Kanton Zug. «Steuern sinken» liest sich wie Alltagskram. Doch ist zu vermerken, dass das Bestimmen des Steuersatzes ein politischer Entscheid ist von Bürgern und Behörden. «Der Kantonsrat will die Steuern senken» oder «Die Steuern werden um 3% gesenkt» oder «Der Kantonsrat lehnt die Steuersenkung ab». Journalistische Titelgebung verrät eine grundsätzlich andere Sicht der Dinge: «Steuern sinken», «Steuern im Sinkflug», «Sollen in der Stadt die Steuern sinken?», «Zum vierten Mal in Folge sind die Steuern in Unterägeri gesunken». Und kein einziger mündiger Bürger war dagegen. Das hat mich dann doch erschreckt. Dem Sinken einfach so zuschauen, wie wenn die Steuersenkung einem Naturgesetz gehorchen würde. «Steuern sinken auf breiter Front» titelt das Lokalblatt. Der Journalist greift zur Verstärkung ins Arsenal der Kriegersprache. Ob ihm da etwas dämmert?
Zur Steuersicht kommt prominent diese Überschrift daher, über fünf Spalten breit, fett und schwarz: «Jetzt büsst Hünenberg im Fegefeuer». Eine Gemeinde gerät ins Reich der büssenden Sünder, nur weil ihre tiefen Steuern etwas weniger tief sind wie anderswo. Dagegen erweist sich Baar nebst Walchwil als «zweites Paradies». Der bibelkundige Schreiber weiss, wo Gott hockt und nach welchen Kriterien der Menschenschöpfer richtet zwischen Guten und Bösen. Und er weiss, warum Flüchtlinge aus Steuerhöllen ins Paradies drängen zur Seligkeit mit Seeblick.
Sankt Andreas, Helfer in Not
Nach einem Gebrauch zu Menzingen im Kanton Zug erwartete man von Sankt Andreas auch Geld. Am Abend seiner Vegil, am 30. November, auf welche Frist man bis ins 18. Jahrhundert hinein Zinsen und Zehnten zu entrichten hatte, ward eine Mutte (Eimer) voll Wasser in die oberste Kammer des Hauses gestellt, an welcher sich dann in der Runde die Hausgenossen auf die Knie warfen, um die ganze Nacht hindurch zu beten, in der Erwartung, dass ein guter Geist ihnen Geld in das Wasser lege. Ende der überlieferten Geschichte.
Schwer vorstellbar, dass sich heutige Stadtherren im Dachstock des Stadthauses um eine Wassergelte versammeln, sich auf die Knie werfen und eine Nacht durchbeten um gerechten Finanzausgleich.
steuerparadies
einmal
in die goldschwere frucht
gebissen
lange schon
die erkenntnis vom baum
gefallen
dann
in den apfel beissen
den sauren
steuerparadies 2
wer nährt
im garten eden
den wurzelwuchs
des baumes der
erkenntnis
«Hilft Meditation dem Kapitalismus?», Zeitungstitel (Sonntagszeitung 12.4.2015)
«In Piacenza in Italien hat man zerstörerischen Regen so gebannt: Die Leiche eines begrabenen Wucherers wurde ausgegraben, auf der Strasse herumgezerrt, den zerschundenen Leib in den Po geworfen.» (So notiert anno 1478)
«Es wird eine Zeit kommen, wo in unserem Lande sich grosse Massen Geld zusammenhängen ohne auf tüchtige Weise erarbeitet und erspart worden zu sein. Dann wird sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserem Fahnentuch.» Gottfried Keller zur Gründung der Zürcher Kantonalbank 1850
Max Huwyler
Der 85-jährige Zentralschweizer Schriftsteller arbeitete als Sekundarlehrer. Er verfasste das dreibändige Sprachlehrmittel «Welt der Wörter» mit und schrieb literarische Texte für Kinder und Erwachsene. Max Huwyler erhielt nebst zahlreichen Preisen den Innerschweizer Medienpreis von Radio SRF. Die beiden Gedichte sind seinem Lyrikband «mitunter überleben» (Verlag Martin Wallimann, 2011) entnommen.