Max Beckmann Spiegelbilder innerer Zerrissenheit
Besucher des Basler Kunstmuseums entdecken eine neue Sichtweise auf den deutschen Künstler Max Beckmann: Seine Lebensphasen gespiegelt in den Landschaftsbildern.
Inhalt
Kulturtipp 18/2011
Rolf Hürzeler
Schiphol, 1945. Der Amsterdamer Flughafen Schiphol (siehe Bild rechts) kurz nach dem Krieg 1945, zerstört von der deutschen Wehrmacht auf ihrem Rückzug. Ein menschenleeres Trümmerfeld mit gesprengten Hangars und blutroten Flugzeugen. So erfasste der deutsche Exilkünstler Max Beckmann jene Zeit des Schreckens. Er hatte damals zwar mehr als genug von Europa. Doch der zerstörte Flugplatz war für ihn auch ein Zeichen der Hoffnung, denn die Alli...
Schiphol, 1945. Der Amsterdamer Flughafen Schiphol (siehe Bild rechts) kurz nach dem Krieg 1945, zerstört von der deutschen Wehrmacht auf ihrem Rückzug. Ein menschenleeres Trümmerfeld mit gesprengten Hangars und blutroten Flugzeugen. So erfasste der deutsche Exilkünstler Max Beckmann jene Zeit des Schreckens. Er hatte damals zwar mehr als genug von Europa. Doch der zerstörte Flugplatz war für ihn auch ein Zeichen der Hoffnung, denn die Alliierten warfen über Schiphol Essenspakete für die hungernde Bevölkerung ab.
Besucher des Basler Kunstmuseums finden dieses Bild in der Ausstellung «Max Beckmann: Die Landschaften». Sie zeigen den Künstler als einen distanzierten Beobachter des Zeitgeschehens und der Natur. Beckmann hält in seinen Bildern den Betrachter ausserhalb des Geschehens fern, etwas entrückt vom Dargestellten. Trotzdem erscheinen die Landschaften realistisch. Beckmann malte jedoch oft aus der Erinnerung. Er zog deshalb immer wieder Fotografien oder Postkarten bei, um der Wirklichkeit möglichst nah zu bleiben. 70 Landschaften dokumentieren an der Ausstellung im Basler Kunstmuseum die unterschiedlichen Lebensphasen des Künstlers.
Max Beckmann kam 1884 in Leipzig in einem bürgerlichen Milieu zur Welt. Der ehrgeizige und selbstbewusste Gestalter besuchte die Kunstschule in Weimar. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lernte er auf ausgedehnten Reisen die europäische Kunst kennen, verweigerte sich aber den damals führenden Bewegungen wie etwa dem Expressionismus und entzog sich der Abstraktion. Der künstlerisch wie politisch konservative Beckmann liess sich jedoch nicht von der nationalistischen Euphorie im Ersten Weltkrieg anstecken. Er diente lediglich als freiwilliger Sanitätshelfer an der Ostfront.
Kleine Landschaft, Viareggio, 1925. Dieser Durchblick (siehe Bild rechts oben) auf das Meer in der nördlichen Toskana illustriert Beckmanns klare und optimistische Weltsicht in jener Zeit. Der Künstler fühlte sich in Hochform. Er hatte sich 1924 von seiner ersten Frau scheiden lassen und heiratete seine grosse Liebe, Mathilde Kaulbach, die er «Quappi» nannte. Die beiden reisten quer durch Europa.
Die «Kleine Landschaft» malte Beckmann später in seinem Frankfurter Atelier. Er erhielt an der dortigen Kunstschule des Städelmuseums ein Meisteratelier, um Schüler zu unterrichten. Und genoss in jenem Jahrzehnt die gesellschaftliche Anerkennung, zum Beispiel mit dem Reichsehrenpreis Deutscher Kunst.
Der Meeresstrand, 1935. Das Gemälde (siehe Bild rechts unten) zeugt von Beckmanns Sehnsucht nach der Weite in der Enge, es zeigt die Küste von Zandvoort in Holland, die er mit seiner Frau auf einer Ferienreise besuchte. Die Farben wirken bedrohlich; man spürt, wie sehr er unter dem Elend der Welt litt. Mitte der 30er-Jahre hatte er erlebt, wie die Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung den Beckmann-Saal im Berliner Kronprinzenpalais schlossen. Und er hatte 1933 seine Professur an der Frankfurter Städel-Schule verloren.
Der Verfemte emigrierte 1937 nach Holland, nachdem er mit seiner Frau eine Rede Hitlers zur Eröffnung des «Hauses der Deutschen Kunst» in München hörte. Ein Tag später folgte die Eröffnung der Propaganda-Ausstellung «Entartete Kunst» in den Münchner Hofgartenarkaden. Beckmann war mit zehn Gemälden vertreten. Die Flucht nach Holland war als kurze Episode vor der Weiterreise in die USA gedacht. Das Ehepaar musste jedoch zehn Jahre in Amsterdam in einer Wohnung verharren, auch unter der deutschen Besatzung ab Mai 1940. Beckmann flüchtete sich in den Zynismus. So schrieb er, «der Krieg scheint mir gut zu tun, denn ich sehe eine neue Welt entstehen, ‹eiskalt auf feurigen Fiebern›». Sarkasmus passte gut zu ihm. Zeitgenossen erlebten ihn als wortkargen, unnahbaren, mitunter gar bissigen Menschen, der sich kaum durch Warmherzigkeit auszeichnete.
Mit dem Ende des deutschen Unrechtsstaates fühlte sich Beckmann in den Niederlanden indes nicht sicherer, denn er musste nun als deutscher Staatsbürger mit Übergriffen seitens der Holländer rechnen. Erst 1947 erhielt er schliesslich mit seiner zweiten Frau Quappi ein Visum, um in die USA zu übersiedeln. Doch in New York wurde der damals 63-Jährige nicht mehr heimisch; er starb drei Jahre später beim Central Park auf dem Weg zu einer Kunstausstellung.