Robert Kolinsky ist nicht aufzuhalten, er hat eine Mission. «Rede ich zu viel?», fragt er nach einer halben Stunde. Bitte, bitte, nur zu! Wer so viel macht, muss ausholen, erklären, braucht Zeit, um zum Kern zu kommen. Im Lauf des Gesprächs wird immer klarer, dass es Robert Kolinsky dreimal gibt. Er ist Filmregisseur, dann Pianist – und als Basler Festivalmacher sitzt er nun da. Nebenbei: Ein Kinderbuch ist am Entstehen (nur der Verlag fehlt noch). Und Dirigent wollte er auch einmal werden.
Offen für alles
Zwar hat Kolinsky seine letzte CD mit der Legende Vladimir Ashkenazy eingespielt, sagt aber zum «Pianisten Kolinsky»: «Ich verfolge keine konkrete Karriere, obwohl ich pianistisch bestehen kann. Ich habe das Glück, hartnäckig zu sein und Projekte zu verfolgen, die mich wirklich interessieren – egal in welcher Branche. Ich will etwas machen, das notwendig ist.» Ob beispielsweise Beethovens Klavierkonzerte immer nötig sind, scheint der 1970 in Solothurn geborene Künstler zu bezweifeln. Jedenfalls fragt er sich, ob er sie neben all den anderen Pianisten auch noch spielen muss.
Schliesslich ist da nun auch noch seine Tochter im Leben – und ein Film. Genauer: Ein Dokumentarfilm über den Schauspieler, Regisseur und Oscarpreisträger Jiri Menzel: «To Make A Comedy Is No Fun» soll er heissen. Drei Tage war Kolinsky bereits bei Regisseur Milos Forman in den USA und hörte zu, was die tschechische Kinolegende über Menzel erzählte: Offenbar so schöne Dinge, «dass es sich lohnen würde, allein daraus einen Film zu machen». Viele weitere Menzel-Weggefährten sollen hinzukommen. Noch fehlts am Geld, aber Produzent Alfi Sinniger glaubt fest an das Projekt.
Kolinsky will einfach, so erzählt er eifrig, etwas ausdrücken. «Das Instrument ist egal, wichtig ist, was herauskommt.» In Solothurn war der kleine Robert einst als Geiger bekannt, spielte mit seiner Grossmutter auf, einer Salonpianistin. «Jetzt kommt vielleicht etwas Neues durch den Film, vielleicht durchs Festival.»
Kolinsky hat ein riesiges Bedürfnis, Begeisterung zu verbreiten. Jene für den Komponisten und Wahlbasler Bohuslav Martinu (1890–1959) etwa möchte er am liebsten mit der ganzen Welt teilen. So wurde er denn zum Martinu-Festival-Intendanten.
Repräsentant Martinus
Mit seinem Elan kommt er an. «Wir sind zu Repräsentanten von Martinu geworden. Jeder, der irgendwo auf der Welt etwas macht, schickt mir seine Aufnahme.» Und Kolinsky ist selbst am aktivsten, wenn es darum geht, geeignete Interpreten zu finden. Frank Peter Zimmermann, einer der drei grössten Geiger unserer Zeit, sprach Kolinsky nach einem Konzert an: Bald darauf schickte dieser Zimmermann die Noten von Martinus Violinkonzert – und der Jahrhundertgeiger spielte das Werk tatsächlich an den Martinu Festtagen in Basel.
Eine Kontaktaufnahme kann bisweilen lange dauern. Mit der Pianistin Hélène Grimaud verhandelte Kolinsky über Jahre, bis sie bei ihm auftrat. Nächste Woche spielen die berühmten Brüder Capuçon bei ihm.
Die Verbundenheit
Martinu ist für Kolinsky ein verkanntes Genie, trotz zunehmenden Zuspruchs der Stars. Und doch ärgert sich Kolinsky, wenn der NZZ-Kritiker nach der Zürcher Premiere der Oper «Die Griechische Passion» fragte, warum Martinu in den 50er- Jahren noch tonal komponierte. Kolinsky hält diese Oper für etwas vom vollkommensten, was Martinu je schrieb. Er kann nicht verstehen, warum einer damals zwingend so schreiben sollte, wie es die moderne Darmstädter Schule wollte. «Martinu wollte beim Publikum ankommen. Seine Musik ist deswegen nicht kitschig.» In jedem seiner Stücke, das sagte Martinus Frau, öffne sich der Himmel. Er könne «die Freude am Leben ausdrücken».
Kolinskys Verbundenheit mit Martinu begann 1995 in Frenkendorf BL, wo der Komponist begraben liegt. Aus kurzen Gedenktagen – mitsamt böhmischen Knödeln – entstanden die heutigen Musiktage. Ein Jahr später war Kolinksy dabei, 2014 feiert man das 20-Jahre-Jubiläum. Der Anfang war zäh. Aber schon bald zählte man fünf bis sieben Veranstaltungen: Drei klassische Konzerte, hinzu kamen Filmabende, bald ein Ballett oder ein Kinderkonzert – und seit 2003 ein Jazz-Abend.
Bodenhaftung
Fürs Jubiläumsjahr soll der grossartige Dirigent Mariss Jansons, der mit der früheren US-Aussenministerin Madeleine K. Albright im Patronat sitzt, mitsamt Concertgebouw Orchestra nach Basel kommen. Ja, selbst mit den Wiener Philharmonikern ist Kolinsky im Gespräch. «Gewisse Projekte sind bisweilen grössenwahnsinnig, aber ich bleibe trotzdem auf dem Boden.» Die Ideen gehen ihm nicht aus. Sagt er doch ohne Spur von Koketterie: «Ich kann locker bis 2025 weitermachen.»
Fünf Tage später trifft ein Mail von Robert Kolinsky ein. «Eben war ich mit einem Schweizer Operndirektor essen …» Und dazu nur so viel: 2015 wird auf einer grossen Schweizer Bühne Martinus «Juliette» gespielt.
[CD]
Martinu
Klavierkonzerte
Kolinsky/Ashkenazy
(Ondine 2007).
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