Sie sei ehrlich und direkt, sagt Martina Hügi über sich selbst. Und genau das erlebt das Publikum bei ihren Auftritten. Auf den ersten Blick würde man es der zierlichen Frau nicht zutrauen – ihre Texte fahren aber so richtig ein. Die Heilpädagogin in Ausbildung liebt es, als Slam-Poetin Grenzerfahrungen zu sammeln: «Es braucht Mut, Texte über heikle Themen selbstbewusst auf der Bühne zu präsentieren.» Themen wie Masturbation, Sterbehilfe und Prostitution sind keine Tabus für sie.
«Ich will mit meinen Texten niemanden verletzen, sondern die Leute auf eine humorvolle Art zum Nachdenken anregen», sagt Hügi. Sie liebe es, bei Auftritten Verrücktes auszuprobieren: «Es ist mir egal, ob ich deswegen disqualifiziert werde. Ich bin eben risikofreudig.»
Kein Zuckerschlecken
«Es fasziniert mich, dass ich bei einem Wettkampf nur fünf Minuten Zeit habe, um das Publikum mit meiner Geschichte begeistern zu können», sagt die Wahl-Winterthurerin. Dies sei sehr anspruchsvoll, da man die Zuschauer nach kurzer Zeit langweilen und verlieren könne. Wenn dann während eines Auftritts noch ein Telefon zu klingeln beginne, könne das die Stimmung total ruinieren. «Für solche Fälle sollte ein Slam-Poet stets einen lustigen Spruch auf Lager haben.»
Poetry Slam ist für Hügi eine schöne Art, um Geschichten erzählen zu können. Ein Zuckerschlecken sei dies aber keinesfalls: «Da steckt harte Arbeit dahinter. Ich muss das Publikum und mich selbst mit meinen Texten immer wieder überraschen können.»
Sichtlich nervös ist Martina Hügi nicht, wenn sie auf die Bühne schreitet. «Auftritte vor Publikum geben mir einen Adrenalinkick», sagt sie. Vor ihren Darbietungen genehmigt sie sich aber stets ein Schnäpschen – das ist ihr Ritual. Obwohl sie den direkten Austausch mit dem Publikum schätze, müsse sie sich immer etwas abgrenzen. «Ich verstecke mich gerne hinter einem Textblatt. Das gibt mir Sicherheit und überdeckt meine Schüchternheit», gibt Hügi zu.
An den vergangenen Schweizer Meisterschaften im Poetry Slam hat sie sich ihrer bisher grössten Herausforderung gestellt, im Vorfeld einen Text auswendig gelernt und diesen dann ohne abzulesen vorgetragen. «Das hat mich unglaublich viel Überwindung gekostet.»
«Sieg ist zweitrangig»
In ihrer Freizeit zieht sich Martina Hügi gerne mal zurück: «Zwischendurch muss ich meine Plüschfinken anziehen und im Gammel-Modus rumhängen können», sagt sie. «Oder Yoga machen.» Das tue ihr gut, obwohl sie einen lausigen Gleichgewichtssinn habe und ihre Beweglichkeit zu wünschen übrig lasse. «Es ist eine Art Zwangsentspannung, bei der ich abschalten kann.»
Die Slam-Poetin will keine Preise sammeln, sondern ihren eigenen Stil entdecken und weiterentwickeln. Deshalb sei es für sie zweitrangig gewesen, dass sie an den vergangenen Schweizer Meisterschaften in einer Vorrunde rausgeflogen sei. «Ich will gute Texte performen. Gewinnen ist sekundär», betont sie. Ein Leben ohne Poetry Slam kann sie sich aber nicht mehr vorstellen. «Ich weiss, dass ich auf dem richtigen Weg bin.»
An der 57. Schweizer Künstlerbörse in Thun vertritt Martina Hügi den Thurgau. Er ist in diesem Jahr Gastkanton des
landesweit grössten Kleinkunsttreffens.
Weitere Infos unter:
www.martinahuegi.jimdo.com