Martina Clavadetscher: Gewagt gut
Formal Ungewohntes mit Endzeitstimmung: Der Roman «Knochenlieder» der Schwyzer Autorin
Martina Clavadetscher ist ein merkwürdiges Stück Literatur – im besten Sinn des Wortes.
Inhalt
Kulturtipp 19/2017
Letzte Aktualisierung:
06.09.2017
Urs Hangartner
«Generationen bewirken immer Reaktionen auf Generationen. / Es ist ein heilloses Auf und Ab auf dieser Welt. /Wie der Wellengang auf dem offenen Ozean.» Idyllisch ist diese Romanwelt nicht. Es wird das Bild eines Überwachungsstaates gezeichnet, ein düsteres Zukunftsszenario. «Knochenlieder» ist eine Anti-Utopie, erzählt in unterschiedlichen Genres, mal in Prosa, mal szenisch, mal poetisch; motivisch märchenhaft mit Anleihen bei grimmschen ...
«Generationen bewirken immer Reaktionen auf Generationen. / Es ist ein heilloses Auf und Ab auf dieser Welt. /Wie der Wellengang auf dem offenen Ozean.» Idyllisch ist diese Romanwelt nicht. Es wird das Bild eines Überwachungsstaates gezeichnet, ein düsteres Zukunftsszenario. «Knochenlieder» ist eine Anti-Utopie, erzählt in unterschiedlichen Genres, mal in Prosa, mal szenisch, mal poetisch; motivisch märchenhaft mit Anleihen bei grimmschen Geschichten und zugleich realistisch. Die Erzählzeit umspannt mehrere Menschengenerationen. Die Autorin schafft ein Szenario zwischen Ländlichkeit und Hightech-Futurismus in einer digitalen Welt.
Am Anfang lernt man eine Aussteiger-Gemeinschaft kennen, deren Mitglieder Vornamen haben. Die Nachnamen sind getilgt: Sie nennen sich nach der Farbe eines der vier Häuser, das sie bewohnen – Grün, Blau, Weiss, Rot.
Der Roman kommt formal ungewohnt daher. Martina Clavadetscher schreibt – in den verschiedenen Gattungs-Tonlagen – Wörter und Sätze in lyrischem Zeilenfall. Man begegnet neuen Wörtern wie «Knirpskind» oder «Summgesang».
Musik ist ebenfalls ein Thema
David Bowies Song «Life On Mars» wird zitiert, so wie Musik natürlich ein Thema ist: «Der Mangel an Musik ist tief ungesund.» Am Ende steht der tröstliche Satz: «Aus dem Wohnzimmer / kommt wieder Musik / das Allerschönste.» Ein gewagtes literarisches Experiment. Es lohnt sich.
Buch
Martina Clavadetscher
«Knochenlieder»
300 Seiten
(Edition Blütenlese 2017).