Der Raum ist ausladend, der Gesprächspartner unpassend bescheiden. Martin Tillman (58) sitzt im Büro seines Managers in Zürich und sucht nach den richtigen Worten. Seine Welt sei die Musik, sagt er fast entschuldigend: «Durch sie kann ich mich am besten ausdrücken.» Dabei ist das, was er zu erzählen hat, höchst spannend.
Gut 30 Jahre lang lebte der Zürcher in Los Angeles, war auf Tournee mit seinen Teenie-Idolen Toto und Chicago, sass im Studio mit B. B. King. «Und dann kam dieser Anruf», erzählt er leise, «vom Hans.» Der Hans heisst Zimmer und ist der Doyen aller Hollywood-Komponisten. «Ihm gefiel mein Elektrocello.» Tillman zuckt mit den Schultern. «Damit begann unsere Zusammenarbeit.»
Als Teenie wollte er Rockmusiker werden
Resultiert haben Dutzende von Soundtracks zu Filmen wie «Total Recall», «The da Vinci Code» oder «Pirates of the Caribbean». «Als Teenie wollte ich Rockmusiker werden», erinnert sich Tillman. Seine klassisch interessierten Eltern schickten ihn ans Konservatorium. Das Cello wählte er, weil es «den coolsten Sound aller Instrumente hatte».
In Los Angeles landete er dank einem Stipendium. «Aus beruflicher Sicht war die Stadt ein Segen für mich», sagt Tillman, dem sich in den 90er-Jahren viele Türen öffneten, nachdem er in einem Tonstudio gejobbt und wacker Networking betrieben hatte. «Niemand konnte meinen multiplen Cello-Sound entschlüsseln oder kopieren.» Nach Hans Zimmer meldeten sich weitere Ikonen wie John Williams und Jerry Goldsmith. «Wir hatten viel Zeit und riesige Budgets. Doch diese Zeiten sind vorbei.» Seine Rückkehr in die Schweiz 2019 habe auch damit zu tun, mehr aber mit seinem Heimweh.
«L. A. und Hollywood sind dreckig, die Luft ist verpestet, es hat Millionen von Autos.» Nach 30 Jahren sehnte er sich nach einem Neustart und kreierte «Superhuman». Mit dieser opulenten Liveshow debütiert Tillman nun in Zürich. «Es ist eine musikalische Hommage an meine Inspiratoren: von Toto über Pink Floyd bis Ravel und Debussy.»
«Meine Frau war ein Superhuman»
Der Titel? Nun setzt Tillman ein breites Grinsen auf: «Ich bin doch der Superhuman!» Sofort verfliegt die Selbstironie. «Meine Frau war ein Superhuman, wie sie mit ihrer MS-Erkrankung umgegangen ist. Menschen, die ein Ziel haben und alles daransetzen, es zu erreichen.» Tillman wird mit Rockband und zehn Cellisten auftreten.
«Hans Zimmer sagte mir: Wenn du was Grosses machen willst, dann mach es wirklich gross.» Am liebsten würde Tillman mit «Superhuman» auf Tournee gehen. Parallel schreibt er Soundtracks etwa zum Schweizer Film «Schellenursli». Und wenn «der Hans» mal wieder anrufe, dann sei er offen.
Superhuman
Fr/Sa, 5.5./6.5., 19.30 Theater 11 Zürich
www.martintillmanmusic.com
Martin Tillmans Kulturtipps
Album - Supertramp: Breakfast in America (A & M 1979 / 2010)
«Mein liebstes Album aller Zeiten. Es war auch mein Einstieg in den Rock ’n’ Roll als Teenager und hat mich damals sehr inspiriert. Das Album der Briten ist von zeitloser Bedeutung.»
Buch - Jimmy Nelson: Before they pass away (teNeues 2013)
«Ich lese keine Bücher, liebe aber Fotobände. Ein geniales Buch, das unglaubliche fotografische Impressionen der immer mehr verschwindenden Stämme in der ganzen Welt festhält.»
Konzert - Coldplay
«Eine tolle Liveband, die ich jederzeit wieder sehen möchte. Chris Martin ist ein grossartiger Singer-Songwriter. Coldplay bieten die perfekte Bühnenshow.» Sa, 1.7., 17.30 Stadion Letzigrund Zürich