Mark Ginzlers Lieblingsraum im Hörspielstudio Basel ist ein nüchternes Zimmer von vielleicht zwölf Quadratmetern. Es liegt erhöht über einem der beiden grossen, schallisolierten Hauptsäle. «Ich benutze es gerne, weil es akustisch auffällig ist. Es hallt etwas, klingt aber dennoch warm», sagt Ginzler, der seit 2016 als Hörspiel-Regisseur für SRF 2 Kultur arbeitet.
Führt er einen durch die Studioräume, entsteht sogleich ein kleines Hörspiel. Er knirscht einige Schritte durch eines der Kiesbetten: ein Friedhofsweg.
Er führt in die klaustrophobische Sprechkabine: ein Schrank, in dem jemand eingesperrt ist.
Der Regisseur geht mit Intuition ans Werk
«Mein Arbeitsort ist ein grosser Spielplatz», sagt Ginzler. Hier schuf er mit Lukas Bolliger den preisgekrönten Krimi «Verfluchtes Licht» und dessen Nachfolger «Verfluchte Hitze» (kulturtipp 18/18). Hier vertonte er auch sein jüngstes Hörspiel «Die Mütze» von Hugo Rendler. Das Stimmenspiel gewährt Einblicke in die Lebensgeschichten von vier körperlich beeinträchtigten Heim-Bewohnern. Ginzler lässt den Monologen viel Raum, nur manchmal treten die Protagonisten in einen Dialog mit ihrem Pfleger, der «Mütze». Marie etwa spricht einmal vom Badezimmer aus mit ihm. Um die räumliche Distanz und den passenden Hall zu erzeugen, setzte Ginzler Schauspielerin Victoria Trauttmansdorff zwischen dämmende Stellwände und nahm sie durch einen Spalt auf. Damit so etwas funktioniert, versucht er stets, im Studio eine entspannte Atmosphäre zu schaffen: «Ich muss den Schauspielern Sicherheit geben – sie sollen meinem Feedback vertrauen können.»
Wer Mark Ginzlers Stücke kennt, dem fallen ein paar seiner Markenzeichen auf: Das Ende eines Telefongesprächs macht er schon mal zum harten Szeneschnitt. Und gerne arbeitet er mit Klangatmosphären – mal aus dichtem Dröhnen, mal aus minimalistischen Cello-Klängen, wie in «Die Mütze». Will man vom ihm wissen, wie er die passende Umsetzung, den richtigen Erzählrhythmus finde, reagiert der Süddeutsche etwas ratlos: «Das ergibt sich intuitiv aus dem Text oder dem Gespräch mit dem Autor.» Gut zwei Jahrzehnte Hörspielerfahrung klingen in dieser Antwort mit. Noch während des Studiums konnte Ginzler als Regieassistent beim Südwestrundfunk (SWR) arbeiten, lernte dort die unterschiedlichen Handschriften der Regisseure kennen. Später inszenierte er selber als freier Regisseur und Dramaturg ARD Radio Tatorte und SWR-Mundarthörspiele.
Kürzlich vernahm Mark Ginzler beim Gang durch Basel das ferne Klirren von Glas, das in einen Container geworfen wurde. Mit dem Aufnahmegerät zog er später nochmals los: genau das richtige Geräusch für eine nachdenkliche Szene. Mark Ginzler lebt Hörspiele – nicht nur im Studio.
Die Mütze
So, 16.12., 17.06 Radio SRF 2 Kultur
Mark Ginzlers Kulturtipps
Film
Gustav Möller: «The Guilty» (2018)
«Eine Mischung aus Film und Hörspiel. Ein Polizist telefoniert mit einem vermeintlichen Entführungsopfer. Die Zuschauer sehen fast nur sein Gesicht – aber dieses erzählt so viel.»
TV-Serie
«Broadchurch» (2013–2017)
«Die britische Krimi-Serie ist sehr sorgfältig gemacht. Hier geht es nicht nur um einen Fall, sondern auch um die Dorfbewohner, die davon tangiert sind. Und die beiden Ermittler sind einfach super.»
Hörspiel-Serie
«Unter Leuten» (2018) nach Juli Zeh
«Ein Dorf in Brandenburg entzweit sich an einem geplanten Windpark. Regisseurin Judith Lorentz gibt den Zuhörern viel Raum, um die Figuren und ihre Positionen kennenzulernen.»