Die Sopranistin Marina Rebeka ist im Schuss. Am Morgen war sie in Bern, um ein Visum abzuholen, um 17 Uhr ist Gesangsprobe, und am Abend singt sie die Donna Anna im Mozarts «Don Giovanni». Die nächsten Herausforderungen stehen an. Die Lettin wagt in Zürich zwei Rollendebüts: Als Léïla in der Wiederaufnahme von Georges Bizets «Les Pêcheurs de Perles» sowie im Februar als Fiordiligi in Wolfgang Amadeus Mozarts «Così fan tutte».
kulturtipp: Anna Netrebko war 34, als sie in Salzburg «entdeckt» wurde. Sie hingegen sind 32 und singen seit fünf Jahren auf internationalem Niveau.
Marina Rebeka: Ich sang mit 27 die «Traviata» in Erfurt. Aber ich war schon viel früher fertig.
Mas meinen Sie mit fertig? Ihre Stimme?
Nein, die ist nie fertig. Aber ich hätte früher auf die Bühne gehen und Erfahrungen sammeln können. Den Rollen der Pamina in der «Zauberflöte» oder der Micaëla in «Carmen» wäre ich locker gewachsen gewesen. Aber in Italien, wo ich studiert habe, gibt es keine Opernstudios wie hier in Zürich, in denen die Stimme geschult wird und wo man gleichzeitig Bühnenluft schnuppern kann. So sammelte ich dann meine Bühnenerfahrungen auch mal in einer Kinderversion des «Barbiere di Siviglia» im Teatro Regio von Parma. Aber welche Agenten oder welche Theaterintendanten schauen sich schon Kinderopern an? Wie also konnte ich in den Betrieb reinkommen?
Sie singen heute auf den berühmtesten Bühnen der Welt und haben eine Mozart-CD eingespielt. Was machen Sie bei dieser CD anders als Ihre zahlreichen Vorgängerinnen?
Die Idee für diese CD entstand im Londoner Covent Garden, wo ich in der «Zauberflöte» die Königin der Nacht zu singen hatte, obwohl ich auch die lyrische Pamina im Repertoire habe. Anderswo sang ich die fast ebenso verrückte Partie der Elektra aus «Idomeneo», im Gegenzug aber auch die Contessa in «Le nozze di Figaro». Kurz und gut: Man sieht, wie wunderschön Mozart unterschiedliche Charaktere mit Musik zusammenbrachte. Ich wollte meine Gefühle und mein Denken über Mozart in diese CD einbringen. Zusammen mit der Dirigentin Speranza Scappucci suchte ich nach Farben in den Linien und im Ausdruck – zuerst ohne, dann mit Orchester. Die Gefühle kommen bei Mozart fast immer mit dem Klang der Instrumente.
Die Sängerin Cheryl Studer sang vor 20 Jahren Mozartrollen wie Sie, später auch Verdi und Wagner. Mit fatalen Folgen für die Stimme: Zuerst buhten die Mailänder, dann folgten die Wiener und die Münchner.
Ich singe keinen Wagner und von Verdi bloss die Violetta! Ein breites Repertoire ist gefährlich, man muss genau wissen, was man kombinieren kann. Wenn ich Fiordiligi singe, kann ich in derselben Zeit nicht die Violetta singen. Lage und Stil sind völlig anders. Da muss ein Monat dazwischen liegen, damit man das Gefühl für die andere Musik bekommt. Und deshalb muss ich immer wieder Nein sagen.
Sie haben im Sommer in der Arena di Verona gesungen, treten an der Metropolitan Opera in New York auf, wirkten auch im Zürcher «Don Giovanni» mit: Sie treffen auf die unterschiedlichsten Regiephilosophien. Kommen Ihnen mit Ihrer Spiellust moderne oder gemässigte Regien näher?
Das ist egal, wichtig sind Regieideen, die es mir erlauben, etwas zu zeigen. Ich sang mal in einer klassischen «Traviata», freute mich und dachte, ich könne viel daraus machen. Aber nichts da! Ich musste dauernd herumsitzen, bis ich fragte: «Habt ihr die Inszenierung für eine 120 Kilo schwere Sängerin gemacht?!» Geht eine Regie mit der Idee des Autors und der Musik zusammen, kann sie durchaus modern sein. Von der besten Regie merken der Zuschauer und die Zuschauerin jedoch nichts: In so einem Fall ist klar, dass Musik und Regie harmonieren, da stört nichts. Schrecklich ist aber, wenn die Regie im Vordergrund steht, Sänger und Musik vergessen gehen: Die Ideen und Gefühle des Komponisten kommen zuerst. Die Regie muss das unterstützen und darf das nicht stören.
CD:
Mozart
(Warner 2013)
Rossini
Petite messe solenelle
(EMI 2013)
Aufführungen
Georges Bizet
«Les Pêcheurs de Perles»
Wiederaufnahme: Ab Di,14.1.
W.A. Mozart
«Così fan tutte»
Wiederaufnahme: Ab Do, 6.2.
Opernhaus Zürich