Stadttheater, freie Szene und überall dazwischen: Maria Ursprung, Regisseurin, Dramatikerin und Co-Leiterin des Aargauer Theaters Marie, kennt die Bühnenwelt gut. Sie findet: «Die freie Szene könnte vom Stadttheater Selbstbewusstsein lernen und das Stadttheater von der freien Szene eine gerechtere Gagenverteilung.» Regiearbeit sei dort oft noch viel besser bezahlt als Bühnenbild, Choreografie oder Videokunst.
Neben ihrer Arbeit fürs Theater schreibt die Solothurnerin Hörspiele und moderiert den Podcast «Wovon lebst du?», in dem sie mit Gästen über Geld spricht. Ursprung ist neugierig und wach beim Gespräch mit dem kulturtipp in einem Café beim Zürcher Schiffbau, wo sie die letzten Proben ihres Stücks «Halluzinationen» begleitet. Die 40-Jährige erzählt, wie sie nach der Schule fast einen anderen Weg eingeschlagen hätte.
Dank der Oper zum Theater gefunden
Ursprungs Vater ist Komponist. «Bei uns gab es statt eines Büros ein Musikzimmer», sagt sie. Da lag es nahe, selbst Musik zu studieren. So hospitierte sie zuerst eine Woche beim Opernhaus Zürich. Dort entdeckte sie ihr Interesse für Regie und Dramaturgie. Also studierte Ursprung Theaterwissenschaft in Bern und Berlin, literarisches Schreiben in Biel und arbeitete unter anderem an grossen Theaterhäusern in Hamburg, Basel und St. Gallen.
Ihr eigenes Schreiben habe sie immer noch nicht durchdrungen, so Ursprung. Und sie bezweifle, dass dies abschliessend möglich sei. Doch den Prozess verstehe sie nun eher. «Zuerst sammle ich ganz viel zu einem Thema. Früher gab es da einen Moment, in dem ich nervös wurde, weil ich nicht wusste, ob ich das, was ich mir vorstelle, schreiben kann.» Heute weiss sie: «Das sind keine Schreibblockaden, das Gären gehört zum Prozess.»
«Wenn wir sie sinnvoll nutzen, kann KI toll sein»
Ursprung beschäftigt sich gern mit vermeintlich trockenen Themen, über die sie nicht viel weiss, etwa mit dem Gerichtswesen im Stück «In Dubio» oder der Versicherungswelt in «Höhere Gewalt».
Das neue Stück «Halluzinationen» handelt von künstlicher Intelligenz: Die Programmiererin Sera lebt mit ihrer eigenen KI zusammen, pflegt ihre Mutter und prüft für ein Unternehmen die Echtheit von Kunstwerken. «Das Stück ist keine Dystopie», sagt Ursprung. Es stelle Fragen nach unserem Zusammenleben mit Maschinen und nach Echtheit. Die Autorin bezeichnet sich gar als «KI-Enthusiastin»: «Wenn wir sie sinnvoll nutzen, kann KI toll sein, etwa für die Medizin. Leider lassen wir die Entwicklung der neuen Technologie unkontrolliert laufen.»
Und obwohl sie auch die aktuellen politischen Ereignisse kritisch sieht, versuche sie, sich auf die Zukunft zu freuen. «Ich habe keine andere», sagt sie. «Ich lebe jetzt.»
Halluzinationen
Bis Do, 17.4., Schiffbau Zürich
Maria Ursprungs Kulturtipps
Graphic Novel
Anja Wicki: In Ordnung (Edition Moderne 2022)
«Die Geschichte pendelt gekonnt zwischen Humor und Beklemmung, liebevoller Sehnsucht und unerträglichem Schweigen – und wirft uns auf uns selbst zurück.»
Musik
Stefan Rusconi: Solace (Qilin Records 2024)
«Das persönliche Soloalbum des Schweizer Pianisten macht den Menschen hinter der Musik spürbar und erzählt von Dankbarkeit, Trauer und Trost.»
Theater
Theater Marie: Zwei Herren von Real Madrid
«Ein absurd-fantastisches Theaterstück von Leo Meier, das von der Begegnung zweier Fussballer im Wald erzählt, die sich ineinander verlieben.»
Premiere: Do, 24.4., 19.30 Kurtheater Baden AG