Margrit Schriber Ein wagemutiges Paar
Bei einem Besuch in Zofingen erzählt Autorin Margrit Schriber, was sie an ihrer Protagonistin im neuen Roman «Das zweitbeste Glück» fasziniert hat.
Inhalt
Kulturtipp 22/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
Die beiden setzten während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg buchstäblich zu einem Höhenflug an: Die junge Stummfilmschauspielerin Leny Bider und ihr Bruder, der Flugpionier Oskar Bider. Sie waren ein schillerndes Geschwisterpaar, über das man in Zürich und weit darüber hinaus redete: Oskar beeindruckte mit der ersten Pyrenäenüberquerung, Leny erhitzte die Gemüter mit einem Kuss auf der Kinoleinwand und als Kopilotin ihres Bruders. Doch die Leicht...
Die beiden setzten während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg buchstäblich zu einem Höhenflug an: Die junge Stummfilmschauspielerin Leny Bider und ihr Bruder, der Flugpionier Oskar Bider. Sie waren ein schillerndes Geschwisterpaar, über das man in Zürich und weit darüber hinaus redete: Oskar beeindruckte mit der ersten Pyrenäenüberquerung, Leny erhitzte die Gemüter mit einem Kuss auf der Kinoleinwand und als Kopilotin ihres Bruders. Doch die Leichtigkeit, mit der die beiden durchs Leben schwebten, nahm 1919 ein jähes Ende, als Oskar mit dem Flugzeug abstürzte und sich seine Schwester aus Kummer im Zürcher Nobelhotel Bellevue das Leben nahm.
Während in Geschichtsbüchern nur von Aviatiker Oskar Bider die Rede ist, rückt Margrit Schriber einmal mehr eine Frauenfigur ins Zentrum. «Historische Frauenschicksale sind ein brachliegendes Feld», sagt die 72-jährige Autorin. Leny will sich nicht ins Korsett ihrer Zeit zwängen lassen und setzt sich gegen alle Konventionen durch, um ihren Schauspieltraum zu verwirklichen. Schriber stützt sich auf reale Tagebucheinträge der jungen Frau, die hin- und hergerissen ist zwischen der Sehnsucht, etwas Besonderes zu sein, und der Angst, zu missfallen. «In meinem Roman arbeite ich Lenys starke Seite heraus», so Schriber. Dafür wählt sie die Perspektive der «Hausfreundin» von Lenys Vater, die im Tagebuch die «teuflische Pariserin» genannt wird. Der Ton bleibt so – trotz tragischem Hintergrund – meist sachlich.
Für die Recherchen hat sich die Schriftstellerin in biografische und historische Unterlagen vertieft. Das meiste ist dennoch fiktiv: «Ich habe mir meine Leny so erschaffen, wie ich sie sehen wollte», betont Schriber. «Sie hat vieles von mir, auch wenn ich nicht so schwankend im Naturell bin. Aber wir haben gemeinsame Vorlieben wie etwa das Schneidern oder das Kreieren von einem Auftritt», sagt die Autorin, die früher als Fotomodel gearbeitet hat und über Umwege zur Literatur gelangt ist. Der historische Roman hat sich für sie in den letzten Jahren als geeignetste Schreibform herausgebildet: «Darin kann ich mir jede Freiheit nehmen und wage mehr zu sagen als in einem Gegenwartsroman.»
[Buch]
Margrit Schriber
Das zweitbeste Glück
176 Seiten
(Nagel & Kimche 2011).
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