«MANIPULATION» Ein windiges Spiel
Wieder zu entdecken gäbe es eigentlich den Roman «Das Verhör des Harry Wind» von Walter Matthias Diggelmann. Dies hier ist eine mögliche Verfilmung des Buches über finstere Schweizer Zeiten.
Inhalt
Kulturtipp 03/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
«Manipulation» hat einen langen Weg hinter sich vom Buch zum Film. Wie bereits bei der Hürlimann-Verfilmung «Der grosse Kater» kam es auch hier zu einem Zerwürfnis zwischen Produzent und Regisseur. Die Schicksalsgeschichte in diesem Fall geht so: Die gemeinsamen Verfilmungspläne des Basler Produzenten Alex Martin und des Freiburger Regisseurs Pascal Verdosci (beide Jahrgang 1967) gehen bis 1991 zurück.
Konkret beginnt man schliesslich mit Drehs...
«Manipulation» hat einen langen Weg hinter sich vom Buch zum Film. Wie bereits bei der Hürlimann-Verfilmung «Der grosse Kater» kam es auch hier zu einem Zerwürfnis zwischen Produzent und Regisseur. Die Schicksalsgeschichte in diesem Fall geht so: Die gemeinsamen Verfilmungspläne des Basler Produzenten Alex Martin und des Freiburger Regisseurs Pascal Verdosci (beide Jahrgang 1967) gehen bis 1991 zurück.
Konkret beginnt man schliesslich mit Drehstart Anfang 2008, abgedreht ist im Dezember desselben Jahres. Damals läuft alles noch unter dem Titel «Das Verhör des Harry Wind». Es folgen Ankündigungen des Filmstarts auf Ende 2009, später auf Ende 2010. Dem Vernehmen nach kommt es zum Zerwürfnis zwischen Martin und Verdosci, mit der Folge, dass der Regisseur in der Postproduktionsphase von der Fertigstellung des Films ausgeschlossen wird. Der Film heisst nun «Manipulation». Das hat auch inhaltlich gute Gründe.
Anderer Fokus
Harry Winds erzählerische Ich-Perspektive im Buch wurde aufgegeben. Neu ist der Fokus auf den ermittelnden Bundespolizisten Urs Rappold (Klaus Maria Brandauer) gerichtet. Noch immer geht es um Wahrheit, Lüge, Glaubwürdigkeit. Wind sagt im Film die Sätze: «Wahrheit ergibt sich doch nicht aus Polizeiakten, Wahrheit ergibt sich aus Geschichten. Meine Wahrheit will bis heute niemand hören, aber meine Lügen.»
Der historische Zusammenhang im Film ist bewahrt. Die Zeit ist, wie bei Diggelmanns Buch von 1962, jene des Kalten Krieges. Angezeigt auch durch die gräulich-verwaschene Farbigkeit des Films: In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre herrscht in der Schweiz eine Antikommunismus-Hysterie. Das Land ist längst ein Schnüffelstaat, zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung sind fichiert. Und das Land hegt konkrete Atompläne.
Reporter Werner Eiselin von Radio Beromünster (Markus Merz) wird beschuldigt, der Sowjetunion geheime Dokumente ausgeliefert zu haben. Im Beisein von Rappold gelingt es dem verweifelten (und unschuldigen) Eiselin, sich zu erschiessen. Harry Wind (Sebastian Koch), der windige und wendige Werber, der aufrechte Schweizer und Offizier, bringt sich darauf selber als Verräter ins Spiel. Wind ist ein Flunkerer und Fabulierer, ein «Meinungsverschieber», wie es im Roman heisst. Aber, so fragt sich Rappold, welches sollten die Motive Winds sein? Immerhin, es existieren kompromittierende Filmaufnahmen. Rappold kommt der Wahrheit auf die Spur. Doch die Wahrheit darf offiziell nicht sein. Weil die Staatsräson recht behalten muss.
Der Film «Manipulation» konzentriert sich kammerspielartig auf das «Duell» der beiden Kontrahenten Wind und Rappold. Er bringt dabei, über universelle Fragen hinaus, ein Stück Schweizer Vergangenheit ins Heute.