kulturtipp: Ihre Bücher «Im Chäsloch», «Im Säli» und «Tschüss zäme!» spielen in der Provinz. Was ist der Reiz an den Landeiern?
Achim Parterre: Es ist übersichtlicher hier. Ich kann eine Geschichte äusserlich reduzieren, an ein paar Charakteren und Orten aufhängen. Was dahintersteckt, sind aber grundmenschliche Themen, die irgendwo spielen könnten. Mich interessieren die Psychogramme dahinter. Die schweizerische Provinz ist einfach Kulisse. Die Kulisse, die ich kenne.
Ist der typische Emmentaler tatsächlich so knorrig wie in Ihren Büchern?
Gott ja! Noch viel knorriger, ich erzähle nicht die Hälfte davon. Es gibt ihn noch, diesen Typ Emmentaler, der über Generationen hinweg nicht vergisst, dass der Nachbar des Ururgrossvaters anno 24 ein Tannli ennet der March geschlagen hat, und der eine Sprache spricht, die jeden Dialektforscher enthusiasmieren würde. Er wird aber immer mehr in die Seitengräben zurückgedrängt vom urbanen, kulturinteressierten, linksliberalen Bahnpendler, der den Talboden mit Minergiehäusern besiedelt. Dann gibt es noch die Fraktion Aussteiger: Weltverbesserer, die mit universalem Gedankengut die hintersten Winkel bewohnen und mit Freunden in selbst gebauten Schwitzhütten Didgeridoo spielen. Ich finde diese Mischung im Emmental faszinierend.
Was verbinden Sie mit Heimat?
Ich bin sehr versöhnt mit dem Begriff Heimat. Die geografisch verortetete Heimat ist überall dort, wo ich gern bin: in meinem Bett, in der Küche, in der Stube mit Blick auf die Schrattenfluh, im Graubünden meiner Ahnen, in Biel, der Stadt meiner Jugend, in Berlin und im schwedischen Umeå. Heimat bedeutet für mich auch die Möglichkeit, mich an all diesen widersprüchlichen Orten bewegen zu können, ohne mich für einen davon entscheiden zu müssen. Und dann gibt es das Heimatgefühl, das im Zusammensein mit anderen entsteht, mit Freunden, der Familie, meiner Liebsten.
Sie sind nach Schweden ausgewandert und wieder zurückgekommen. Was haben Sie bei den Schweden vermisst?
Cervelats und scharfen Senf. Die Apérokultur. Das Kleinräumige. Was ich an beiden Orten schätze: dass ich hier keine Wurzeln und keine grosse Vergangenheit habe. Das erzeugt in mir ein Gefühl von Freisein.
Sie schreiben im schönsten Berndeutsch. Was ist der Grund dafür?
Ich weiss nicht, ob es das schönste Berndeutsch gibt. Vermutlich schlagen alle Versuche, Sprache zu werten, fehl. Ich schreibe häufig Berndeutsch, weil ich es besser kann als Hochdeutsch.
Sie sind im Trio «Die Gebirgspoeten» unterwegs mit dem Programm «Muff» – sind alle drei muff, oder was hat es damit auf sich?
Wir versuchen, mit diesem Wort die Grundstimmung der ländlichen Bevölkerung aufzufangen. Man wettert hier ja gern gegen alle und alles: gegen Bern, gegen den Staat, gegen die Ausländer, gegen zu viel Regen, gegen zu wenig Regen. Im Herbst hat übrigens unser neues Stück Premiere: «Radio Alpin». Das wird sehr lustig …
Buch
Achim Parterre
«Im Säli»
(Cosmos 2014).
www.achimparterre.ch