Lang ist die Liste der Preise, die dem Dichter Klaus Merz schon zuerkannt wurden. Vor Kurzem erst erhielt er mit dem Grand Prix Literatur des Bundes den lukrativsten und wirkungsvollsten des Landes. Der stille Aargauer erschien in allen Medien, was nun wohl zum Kuriosum geführt hat, dass sein aktueller Band «Noch Licht im Haus» mit Gedichten und Kürzesttexten in der Bestsellerliste erschien.
Was überraschend ist, vor allem aber erfreulich. Denn Merz (78) schreibt zwar Lyrik, aber auch seine Erzählungen, Kurzromane und Essays sind aufs Präziseste verdichtet. Und eben doch auch lesbar, verstehund erfühlbar und mithin mehrheitstauglich.
Aufwendige Kopf- und Handarbeit
Gedichte von Merz klingen so: «Schon wieder habe ich mir / die Knöpfe falsch eingetan: / Durch den leeren Schlitz / pfeift der Wind.» Oder noch bildhafter: «Wieder legt uns / ein neuer Morgen / seinen spitzen Finger / zwischen die Schulterblätter. / Auf die verwundbare Stelle.»
Beim Lesen solch lyrischer Miniaturen steigen Bilder auf und klingen Erinnerungen an, die den Texten etwas Tröstliches verleihen, zumal zwischen den Wörtern Selbstironie aufblitzt. Auch Merz’ Prosa regt bei aller sprachlichen Nüchternheit zum buchstäblichen Insichgehen an. Etwa die im neuen Band versammelten Kurzporträts, die sich in wenigen Sekunden lesen lassen und dabei doch unbekannte Gedankenräume öffnen. Just solche Räume sind es wiederum, die den Dichter zu seinem Schreiben anregen.
Sie zu ahnen, zu spüren und zu finden ist seine erste Aufgabe, das Ver-Dichten dann die eigentliche und handwerkliche Arbeit, die Merz so umschreibt: «Ein Leben lang / schrieb er sich Boden / unter die Füsse.» Oft überdenke er einzelne Wörter stundenlang, erzählte Merz vor Jahren im Gespräch. Damit sie in karger Klarheit und stiller Schönheit glitzern, wollen sie erarbeitet werden im Sinne einer aufwendigen Kopf- und Handarbeit. Merz schreibt seine Texte von Hand, bevor sie – gereift und gestutzt – erfasst werden können.
Dem Computer ist er nicht etwa abgeneigt, hat im Alter gar noch die Spielart der Virtual-Reality-Lesung entdeckt. Seiner Wirkung als Poet ist sich Klaus Merz aber auf romantische Weise bewusst: «Tritt zu mir ans Fenster / und träum, was du siehst.»
Virtual-Reality-Lesungen … aus Klaus Merz’ Buch
«Los» Fr, 24.5., 20.00 / Sa, 25.5., 18.00 / 20.30 Alte Reithalle Aarau
Buch
Klaus Merz
Noch Licht im Haus 112 Seiten (Haymon 2023)