Mit seinen Essays will er dahin, wo es weh tut. Lukas Bärfuss scheut die Konfrontation nicht. Zur Lage der Nation äussert er im In- und Ausland pointiert Kritik – und stösst damit oft auf Empörung. «Ich bin recht harmoniesüchtig», erwidert der Berner Autor beim Café Crème in Zürich und schickt ein freundliches Lachen hinterher. Auf seine Polemik «Die Schweiz ist des Wahnsinns» angesprochen, kommt er dann doch in Fahrt: «Wenn sich die Positionen in ihren Schützengräben verschanzt haben, dann braucht es die Zuspitzung, um Bewegung in eine Diskussion zu bringen», sagt er und verweist auf begnadete Polemiker wie Walter Benjamin oder Arthur Schopenhauer. Allein durch die Sprache etwas zu bewegen, das interessiert Bärfuss am Schreiben: «Ich versuche, mich selbst zu Mut zu erziehen, Dinge zu sagen, die mehr kosten. Wenn man Mut nicht übt, wird man feige.»
Engagement für eine gerechtere Gesellschaft
Der Thuner ist früh seinen eigenen Weg gegangen, hat auch die Sackgassen nicht gescheut. Aus dem Lehrerseminar ist er rausgeflogen, ist auf der Strasse gelandet. «Ohne Ausbildung hatte ich nicht viele Möglichkeiten – aber auch nichts zu verlieren. Darum habe ich mir meine eigene Biografie erfunden: Ich wollte Schriftsteller werden und habe das mit einem gewissen Fanatismus betrieben», erklärt er seinen Wandel. Heute gehört er zu den profiliertesten Intellektuellen der Schweiz. In seinen Essays, Theaterstücken und Romanen engagiert er sich vielleicht gerade durch seine eigenen Erfahrungen für eine gerechtere Gesellschaft.
Eine klare Haltung erwartet er auch von anderen Schreibenden: «Ein Grossteil der deutschsprachigen Literatur ist wahnsinnig brav geworden», sagt er und setzt noch einen drauf: «Die Literatur, die sich nicht in ihrer Zeit verortet, diese schöngeistigen Weltfluchten finde ich vollkommen uninteressant.»
Seit vielen Jahren fühlt er in der Gesprächsreihe im Zürcher Schauspielhaus international bekannten Persönlichkeiten auf den Zahn. Demnächst ist der britische Architekt David Chipperfield zu Gast, der für die Erweiterung des Kunsthauses verantwortlich ist. «Welche Rolle spielt beim Bauwerk die Geschichte der Sammlung des Rüstungsindustriellen Bührle?», ist etwa eine der Fragen, die Bärfuss unter den Nägeln brennt.
Kompromisse macht er nur im Privatleben. Mit seiner Partnerin und den drei Kindern lebt er in einer Patchwork-Familie, pendelt zwischen Paris und Zürich. «Das ist intensiv und führt immer wieder zur totalen Überforderung», sagt er lachend. Aufs Stichwort genau klingelt sein Handy: Der 14-jährige Sohn, der nach Übungen für die baldige Gymi-Prüfung fragt. Lukas Bärfuss muss aufbrechen. Denn nebst Schriftsteller ist er vor allem eines: Familienmensch.
Gespräch mit David Chipperfield
Di, 19.3., 20.00
Schauspielhaus Zürich
Lesung aus «Krieg und Liebe»
Mi, 20.3., 18.30
Zentrum Paul Klee Bern
Lukas Bärfuss’ Kulturtipps
Buch
Meral Kureyshi: Fünf
Jahreszeiten (Limmat 2019)
«Ich freue mich auf den neuen Roman von Meral Kureyshi. Schon ihr Erstling ‹Elefanten im Garten› ist wunderbar.»
Online-Bildung
www.masterclass.com
«Auf dieser Online-Plattform reden Fachleute über ihre Leidenschaft. David Mamet über das Stückeschreiben, Bob Woodward über den investigativen Journalismus oder der Astronaut Chris Hadfield über die Erforschung des Weltraums.»
Film
Vice (2018)
«Adam McKay zeigt, wie Zeitgeschichte fürs Kino erfolgreich umgesetzt werden kann. Allerdings könnte man mit Christian Bale und Amy Adams die Strassenverkehrsordnung verfilmen – und es wäre grossartig.»