Es ist ein paar Jahre her: Beim Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb in Biel kam ein unscheinbares Bürschchen mit asiatischen Gesichtszügen auf die Bühne, setzte sich hin, ohne einen Blick ins Publikum zu werfen, und legte los mit einer jener hoch virtuosen Bravour-Piecen, mit denen man ein Publikum schwindlig spielt – erster Preis. In diesem Stil ging es weiter: Mit 17 gewann Louis Schwizgebel den Concours de Genève. Und endgültig unter die Elite der pianistischen Jugend spielte er sich 2012 beim Klavierwettbewerb im englischen Leeds.
Die Anfragen für Konzerte wurden so zahlreich, dass das Talent auf weitere Wettbewerbsteilnahmen verzichten konnte. Gemocht hat er diese Vergleiche ohnehin nie: «Es tut zwar gut, Höchstleistungen im entscheidenden Moment abzurufen. Aber es macht nicht gerade Spass, gegen seine Freunde anzutreten.»
Spannende Entwicklung
Spannend ist die Entwicklung des jungen Pianisten. Aus ihm hätte ein Showstar im Stil von Lang Lang oder Arcadi Volodos werden können. Aber Schwizgebel entwickelte sich in eine andere Richtung: Geblieben ist zwar die blendende Technik, aber was auch immer in den letzten Jahren über den herangereiften Pianisten zu hören war, deutete auf einen sensiblen Musiker hin, der die Nuancen pflegt und eine feinfühlige Handschrift führt.
Die Absage an eine Showstar-Karriere erfolgte bewusst, wie Louis Schwizgebel betont: «Das Schlimmste wäre, um jeden Preis anders sein zu wollen. Man muss sich selber bleiben.» Man dürfe die Virtuosität keinesfalls über den musikalischen Tiefgang stellen: «Tastenlöwen, die das praktizieren, vermögen zwar zu beeindrucken, die musikalische Aussage bleiben sie dem Publikum aber schuldig. Langfristig sind es die eigenwilligen Künstler, die sich durchsetzen.» Zu denen gehört der junge Genfer Pianist unterdessen, das zeigt seine CD mit den ersten beiden Klavierkonzerten von Beethoven. Ein «wunderschön nuancierter Zugang», urteilte das renommierte «Grammophone»-Magazin. Schon 2007 fiel er der «Washington Post» auf, die ihm «erstaunliche Einsichten und hohe Sensibilität» attestierte.
Pianistische Technik also ist für Louis Schwizgebel nie Selbstzweck, sondern dient ihm dazu, musikalische Ideen zu transportieren: «Wie schaffe ich es zum Beispiel, eine Passage laut genug zu spielen, dass die Farben über das Orchester hinweg hörbar werden, ohne dass mein Klang zu grob wird? Ich habe mich oft etwas sehr jung an etwas zu schwierige Stücke getraut und musste mir dann Wege erschliessen, sie hinzukriegen.» Das habe Vertrauen geschaffen, sodass er es am Ende doch immer irgendwie schafft: «Aber ich habe in der Zwischenzeit gelernt, dass man neue Stücke nicht unbedingt mit der letzten Spannung angehen muss, sondern auch mal ein bisschen diagonal in sie eintauchen kann. Patentrezepte gibt es keine: Ich bin noch am Suchen.»
Start mit «Elise»
Louis Schwizgebel wurde 1987 in Genf geboren. Seine Eltern sind bildende Künstler, die chinesische Mutter ist Kunstmalerin, der Vater ist ein bekannter Animationsfilmer («L’homme sans ombre», «La jeune fille et les nuages»). Erst mit sechseinhalb Jahren begann Louis mit dem Klavierspiel, spät für eine grosse Karriere.
Schuld war Ludwig van Beethovens berühmtes Stück «Für Elise», mit dem ein Schulfreund an einem Geburtstagsfest Eindruck machte. Das wollte Louis auch und mehr: Bereits nach einem Jahr war für ihn klar, dass das Klavier Beruf sein sollte. Mit neun wurde er ans Konservatorium in Lausanne zugelassen und schloss im Alter von erst 15 Jahren das Solistendiplom mit summa cum laude ab. Weitere Studien führten den begabten Pianisten danach zu Pascal Devoyon in Berlin, Emanuel Ax an die New Yorker Juilliard School und Pascal Nemirovski an die Londoner Royal Academy.
Die grossen Konzertsäle kennt er unterdessen fast alle vom Podium aus, die Londoner Wigmore Hall und die Berliner Philharmonie sind dazugekommen, die USA und Fernost fehlen ebenfalls nicht. Immer wieder steht er im
Mittelpunkt des Medieninteresses, etwa nach seinem umjubelten Auftritt unter Charles Dutoit beim Verbier Festival oder diesen Sommer, als er auf der Hauptbühne des Paléo-Festivals in Nyon das zweite Klavierkonzert des russischen Komponisten Sergej Rachmaninow spielte.
Malen und Fussball
Auf Facebook steht, dass Louis Schwizgebel in seiner Freizeit malt, Origamis faltet, Kalligrafie mag, Schach spielt und Zaubertricks übt. Zudem sei er ein Bewegungsmensch, sagt er weiter zum Thema Hobbys. «Ich liebe Sport. Zwar kann ich mir gefährliche Dinge wie Skifahren nicht erlauben, aber ich greife gerne zum Pingpong-Schläger, und ein bisschen Fussball liegt auch drin.»
Cds
Saint-Saëns: Piano Concertos 2 & 5
BBC Symphony Orchestra (Aparté 2015 / erhältlich ab Ende September).
Beethoven: Piano Concertos 1 & 2 (Aparté 2014).
Poems: Ravel, Liszt u.a. (Aparté 2013).
Brahms: Cello Sonatas 1 & 2/ Clarinet Trio (Aparté 2013).
Konzerte
Klavierkonzert von Edward Grieg mit dem Argovia Philharmonic unter Sascha Goetzel
So, 20.9., 17.00 & Di, 22.9., 19.30 Kultur & Kongresshaus Aarau
Fr, 25.9., 19.30 Trafohalle Baden
So, 4.10., 14.30/ 18.30 Tonhalle Zürich