Ein reiches Œuvre zeugt von grosser Produktivität. Vom kleinen Comic-Bilderkasten (Panel) bis zum grossformatigen Ölgemälde, von der filigranen Federzeichnung bis zum Farbstift- oder Pastellkreide-Bild in leuchtenden bis dumpfen Farben – Lorenzo Mattotti kennt viele unterschiedliche visuelle Ausdrucksformen und Techniken. Er beherrscht und schätzt die unterschiedlichsten Methoden und Stile. Wie selbstverständlich gehen sie nebeneinander her, denn für ihn ist klar, dass das eine das andere inspiriert. Eine Comic-Geschichte etwa kann zur Malerei führen und umgekehrt. Er selber ist als Comic-Zeichner von den argentinischen Meistern Alberto Breccia und José Muñoz massgeblich beeinflusst. Und ist längst selber durch sein eigenständiges Schaffen der letzten 40 Jahre ein Vorbild für eine nachkommende Generation geworden.
Seit dem neuen Jahrhundert ist in Mattottis kreativer Palette mit dem Animationsfilm ein visuelles Medium dazugekommen. Auch im bewegten Bild zeigt sich das Unverwechselbare. Etwa im Episoden-Film «Eros» (2004), eine Gemeinschaftsarbeit der Regie-Grössen Michelangelo Antonioni, Steven Soderbergh und Wong Kar-wai. Mattotti steuerte gezeichnete Animationen bei, welche die einzelnen Teile des Films miteinander verbinden.
Internationaler Durchbruch mit «Fuochi»
Zur internationalen Zusammenarbeit zahlreicher bekannter Zeichner verschiedener Stile kam es bei der Produktion «Peur(s) du noir» – «Fear(s) Of The Dark» (2007) – eine im Horror-Genre beheimatete Anthologie mit schwarz-weissen Animationen. Mattotti befindet sich bei diesem Projekt in guter Gesellschaft von mitwirkenden Künstlern wie Charles Burns (USA), Blutch (Frankreich), Richard McGuire (USA). Seine jüngste Arbeit wird ein Animationsfilm unter seiner Regie. Dabei handelt es sich um die gezeichnete Adaption eines Romans von Mattottis Landsmann Dino Buzzati.
Lorenzo Mattotti, 1954 in Brescia geboren und seit bald 20 Jahren in Paris daheim, gilt als wahrer Bilderpoet. Sein in den Comic-Geschichten praktizierter malerischer Neo-Expressionismus zeichnet ihn aus. Einen Beleg dafür liefert das Album «Fuochi» («Feuer», 1985). Es ist bis heute ein Haupt- und Meisterwerk, mit dem Mattotti damals den internationalen Durchbruch schaffte. Das Werk besticht formal wie inhaltlich, als Comic-Erzählung über den Konflikt von Zivilisation und Natur, von Irrationalität und Kunst, als gewaltig-traumlogische Story. Mattottis bildnerisches Erzähluniversum besitzt eine melancholische Grundnote, doch die Bilder müssen nicht unbedingt düster sein. Es sind oft Geschichten vom Alleinsein, von Einsamkeit, von Menschen in traumhaft-fantastischen Umgebungen.
Mehrere von Mattottis Comic-Arbeiten sind in Zusammenarbeit mit seinem alten Freund («fast wie ein Bruder») Jerry Kramsky entstanden, seit den 1970er-Jahren bis heute zeichnet Mattotti immer wieder Comics, zu denen Kramsky die Texte schreibt. Etwa die Literaturadaptionen von Robert Louis Stevensons «Dr. Jekyll & Mister Hyde». Mattotti illustrierte eine «Pinocchio»-Ausgabe und arbeitete für den «Pinocchio»-Animationsfilm von Enzo d’Alò.
«Mehrstimmigkeit» und «Leuchtkraft»
Wenn er mit Farben arbeite, so sagt Lorenzo Mattotti, geht es ihm um die «Leuchtkraft» des jeweiligen Bildes. Farben fügen sich laut Mattotti in einem Bild «wie eine Sinfonie» zusammen, «mehrstimmig» ergeben sie ein Ganzes. Immer muss für Mattotti ein Bild «schön» und «wahr» sein.
Mattotti ist ein international gefragter Illustrator. Er kreiert Auftragsarbeiten für Werbung oder zeichnet für renommierte Magazine und Zeitungen wie «The New Yorker», «Vogue», «Le Monde» und «Süddeutsche Zeitung Magazin». Dazu kommen Illustration für Bücher (wie der literarische Klassiker «Divina Commedia») oder das Gestalten von Buchumschlägen.
Zur Ausstellung in Basel erscheint eine Begleitpublikation, herausgegeben von Museumsleiterin Anette Gehrig. Das Buch bildet allerdings nicht den Inhalt der Retrospektive ab, sondern konzentriert sich auf Mattottis schwarz-weisse Zeichenkunst. Diese verfolgt er seit seinen Anfängen, als intimer, persönlicher künstlerischer Ausdruck. Mattotti hat selber für den Charakter seiner Feder-Zeichnungen den Begriff «Ligne fragile» gewählt.
Lorenzo Mattotti.
Imago
Fr, 10.11.–So, 11.3.
Cartoonmuseum Basel
Eröffnung: Fr, 10.11., 18.30
Katalog
Anette Gehrig (Hrsg.)
«Lorenzo Mattotti. Ligne fragile»
128 Seiten
(Merian Verlag 2017).